Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Augen der Alchemisten folgten Wissenschaft, Philosophie und Spiritualität demselben Weg, weil sie wissenschaftliche Erkenntnis auf den Willen Gottes zurückführten.«
»Und wer hat den Mitgliedern des Ordens von Hund und Hahn die Geheimnisse der Element-Umwandlung vermittelt?«, wollte Mabel wissen, die bislang geschwiegen hatte.
»Die Dominikaner«, erklärte Falcone. »Sie hatten ja bei der Gründung des Ordens gleichsam Pate gestanden und waren genau wie die Franziskaner, die der Papst als ausführende Organe der Inquisition ausersehen hatte, beachtliche Alchemisten. Offen gestanden verfolgten sie mit manchen ihrer Strafen und Foltern das Ziel, die Formel für die Erlangung der Quintessenz in die Hände zu bekommen.«
»Ich verstehe. Auf der Suche nach dem Geheimnis zögerten sie nicht, jeden als Ketzer zu brandmarken, von dem sie annahmen, dass er es kannte, damit sie ihn so lange peinigen konnten, bis er es preisgab«, sagte Mabel.
»In einer Legende heißt es, der heilige Dominikus habe den Stein der Weisen gefunden«, fuhr Falcone fort. »Dieses Wissen soll er an Albertus Magnus weitergegeben haben, der wiederum seinen Schüler Thomas von Aquin in die Geheimnisse der Alchemie einweihte. In der Tat finden sich in dessen Schriften immer wieder Anspielungen auf die Umwandlung der Metalle. Um zu wissen, was ich meine, braucht man lediglich seine Summa theologica zu lesen. An einer Stelle heißt es dort, die Hauptaufgabe des Alchemisten bestehe in der wirklichen, nicht aber der betrügerischen Umwandlung unreiner Metalle. Man schreibt ihm auch eine Abhandlung über die Kunst der Alchemie zu, von der sich eine Handschrift in der Bibliothek der Universität Leyden befindet, wie auch die Urheberschaft an einer Abhandlung über den Stein der Weisen .« Munárriz schüttelte verblüfft den Kopf. »Niemand in der christlichen Welt bestreitet«, fuhr Falcone fort, dass die Alchemie in erster Linie deswegen zur Blüte gelangte, weil sich eine große Zahl von Mönchen mit ihr beschäftigte. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts waren Europas Klöster Zentren alchemistischer Studien. Bei einer im Jahr 1388 in Rimini abgehaltenen Ordensversammlung der Dominikaner spielte die Alchemie eine zentrale Rolle – kein Wunder, denn schließlich gab es in ihren Reihen bedeutende Wissenschaftler wie Albertus Magnus, dem man so wichtige Werke wie De rebus metallicis et mineralibus , De lapide philosophorum oder auch Compositio de compositis zuschreibt.«
»Heißt das, dass die Dominikaner seit dem Mittelalter die Geheimnisse der Alchemie bewahren?«
»Genau das«, bestätigte Falcone. »Aber man darf nicht vergessen, dass auch die Franziskaner herausragende Kenntnisse auf diesem Gebiet besaßen. Der bedeutende Franziskanermönch Salimbene, Sohn des wohlhabenden Guido di Adam, spricht in der von ihm im Jahre 1258 verfassten Chronica ausdrücklich von seinen alchemistischen Kenntnissen. Es gilt als gesichert, dass Fra Elias di Cortona, Schüler des heiligen Franz von Assisi, im Heiligen Land von moslemischen Alchemisten in die Geheimnisse der Element-Umwandlung eingeführt worden ist. Arnoldo de Vilanova, Verfasser des Werkes Rosarium philosophorum , hat unter den franziskanischen Alchemisten Schule gemacht, ganz wie Ramón Llull oder auch der ›Rupescissa‹ genannte französische Franziskaner Jean de Roquetaillade, Verfasser eines Werkes über die Quintessenz.«
»Die Angehörigen dieses Ordens von Hund und Hahn«, fasste Munárriz zusammen, »scheinen mir religiöse Fanatiker zu sein, die nicht nur töten, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen, sondern auch bereit sind, dafür zu sterben.«
»Das stimmt nicht ganz. Sie wollen nicht von anderen finanziell abhängig sein, und so ist für sie Gold oder Geld, wie auch immer Sie es nennen wollen, nichts weiter als ein Mittel zum Zweck. Es dient ihnen dazu, ihr Tun zu finanzieren. Ihre wahre Aufgabe sehen sie darin, das Geheimnis des Grals verborgen zu halten, das große Geheimnis von der Nachkommenschaft Christi«, korrigierte ihn Falcone.
»Die Jungfrau Maria als vas electum , Symbol des einzigen und wahren Grals«, zitierte Munárriz in Erinnerung an seine Gespräche mit Hochwürden Ramírez und dem Architekten Alfonso Grau.
»Sie haben es erfasst«, bestätigte Falcone. »Was die Mitglieder des Ordens von Hund und Hahn betrifft, so hat für sie der Gral nie existiert. Für sie ist er, ob in Gestalt von Schale oder Kelch, lediglich ein Sinnbild für die Jungfrau Maria
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