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Sag's Nicht Weiter, Liebling

Sag's Nicht Weiter, Liebling

Titel: Sag's Nicht Weiter, Liebling Kostenlos Bücher Online Lesen
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schon wieder die Tränen.
    »Geht’s, Emma?«, fragt Katie und sieht mich besorgt an. »Hier hast du ein Taschentuch.« Sie wühlt in ihrem Schminktäschchen. »Und Augengel.«
    »Danke«, sage ich und schlucke. Ich tupfe mir das Gel um die Augen und zwinge mich, tief zu atmen, bis ich mich wieder beruhigt habe.
    »Ich finde dich ganz schön tapfer«, sagt Katie und sieht mich an. »Mich hat schon überrascht, dass du heute überhaupt gekommen bist. Mir wäre das viel zu peinlich gewesen.«
    »Katie«, sage ich und drehe mich zu ihr um. »Gestern sind alle meine Geheimnisse im Fernsehen gesendet worden.« Ich breite die Arme aus. »Wie kann irgendwas noch peinlicher sein als das?«
    »Hier bist du!«, kräht eine Stimme hinter uns, und Caroline platzt in die Toiletten. »Emma, deine Eltern sind da!«

    Nein. Das glaube ich nicht. Das glaube ich einfach nicht.
    Meine Eltern stehen neben meinem Schreibtisch. Dad trägt einen schicken grauen Anzug, Mum hat sich mit einem weißen Blazer und einem dunkelblauen Rock aufgeputzt, und sie halten einen Blumenstrauß irgendwie zwischen sich. Und das ganze Büro starrt sie an wie seltene Tiere.
    Nein, das streichen wir. Das ganze Büro hat sich jetzt umgedreht, um mich anzustarren.
    »Hi, Mum«, sage ich, plötzlich heiser. »Hi, Dad.«
    Was machen die hier?
    »Emma!«, sagt Dad und versucht, seinen gewohnt jovialen Ton zu finden. »Wir dachten, wir … kommen einfach mal bei dir vorbei.«
    »Klar«, sage ich und nicke benommen. Als ob das völlig normal wäre.
    »Wir haben dir was mitgebracht«, sagt Mum strahlend. »Ein paar Blumen für deinen Schreibtisch.« Sie lässt den Strauß unbeholfen sinken. »Sieh dir mal Emmas Schreibtisch an, Brian. Ist doch toll! Guck mal … der Computer!«
    »Super!«, sagt Dad und tätschelt ihn. »Sehr … sehr schöner Schreibtisch, wirklich!«
    »Und das sind deine Freunde?«, sagt Mum und lächelt im Büro herum.
    »Sozusagen«, sage ich, als Artemis gewinnend zurücklächelt.
    »Wir haben gerade neulich erst gesagt«, fährt Mum fort, »wie stolz du auf dich sein kannst, Emma. Für so ein großes Unternehmen zu arbeiten. Da sind bestimmt viele andere Frauen neidisch. Meinst du nicht, Brian?«
    »Absolut!«, sagt Dad. »Du hast schon ganz schön was erreicht, Emma.«
    Ich bin so verdattert, dass ich kein Wort herausbringe. Ich begegne Dads Blick, und er lächelt seltsam befangen. Und Mums Hände zittern, als sie die Blumen hinlegt.

    Sie sind nervös, stelle ich erschrocken fest. Sie sind beide nervös .
    Ich versuche noch, das zu verarbeiten, als Paul an der Tür zu seinem Büro erscheint.
    »Aha, Emma«, sagt er und zieht die Augenbrauen hoch. »Sie haben Besuch?«
    »Äh … ja«, sage ich. »Paul, das sind … ähm … meine Eltern, Brian und Rachel …«
    »Sehr erfreut«, sagt Paul höflich.
    »Wir möchten nicht stören«, sagt Mum eilig.
    »Sie stören doch nicht«, sagt Paul und schenkt ihr ein charmantes Lächeln. »Dummerweise wird der Raum, den wir normalerweise für Familientreffen benutzen, gerade renoviert.«
    »Oh!«, sagt Mum, unsicher, ob er Witze macht oder nicht. »Oje!«
    »Also, vielleicht möchten Sie Ihre Eltern zu einem, sagen wir, frühen Mittagessen ausführen, Emma?«
    Ich sehe auf die Uhr. Es ist viertel vor zehn.
    »Danke, Paul«, sage ich dankbar.
     
    Das ist surreal. Vollkommen surreal.
    Es ist mitten am Vormittag. Ich sollte bei der Arbeit sein. Stattdessen gehe ich mit meinen Eltern die Straße entlang und frage mich, was um alles in der Welt wir einander sagen sollen. Ich kann mich nicht mal erinnern , wann ich das letzte Mal mit meinen Eltern alleine war. Nur wir drei, ohne Grandpa, ohne Kerry, ohne Nev. Als wären wir fünfzehn Jahre in der Zeit zurückgereist oder so.
    »Wir können hier reingehen«, sage ich, als wir an einem italienischen Café ankommen.
    »Gute Idee!«, sagt Dad herzlich und öffnet die Tür. »Wir haben gestern deinen Freund Jack Harper im Fernsehen gesehen«, fügt er beiläufig hinzu.

    »Er ist nicht mein Freund«, sage ich barsch, und er und Mum werfen sich einen Blick zu.
    Wir setzen uns an einen Holztisch, der Kellner bringt die Speisekarten, und wir schweigen.
    O Gott. Jetzt bin ich nervös.
    »Und …«, fange ich an, dann breche ich wieder ab. Was ich fragen wollte, ist »Was wollt ihr hier?«. Aber das klingt doch etwas unhöflich. »Was … treibt euch nach London?«, sage ich stattdessen.
    »Wir wollten dich einfach mal besuchen«, sagt Mum und guckt durch ihre

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