Sag's Nicht Weiter, Liebling
ganzen Welt hat und hinreißende, reine, blasse Haut, und die überhaupt einfach umwerfend aussieht, selbst wenn ihr aktueller Haarschnitt ein bisschen streng geraten ist. »Also, wem glaubst du? Dem Spiegel oder einem dummen, bescheuerten Zeitschriftenartikel?«
»Einem dummen, bescheuerten Zeitschriftenartikel«, sagt Lissy, als sei das doch offensichtlich.
Ich weiß, dass sie das halb scherzhaft meint. Aber seit Simon mit ihr Schluss gemacht hat, ist Lissys Selbstbewusstsein nicht gerade das beste. Ich mache mir wirklich schon ein bisschen Sorgen.
»Sind das die goldenen Proportionen der Schönheit?«, fragt unsere dritte Mitbewohnerin Jemima und kommt auf Pfennigabsätzen ins Zimmer gestöckelt. Sie trägt zartrosa Jeans und ein enges, weißes Top und ist, wie üblich, perfekt gebräunt und gestylt. Theoretisch hat Jemima einen Job in einer Skulpturengalerie. Aber tatsächlich scheint sie immer nur Teile ihres Körpers heißwachsen, zupfen oder massieren zu lassen und mit Bankern auszugehen, deren Gehälter sie vorher überprüft.
Ich komme mit Jemima ganz gut klar. Irgendwie. Nur, dass sie jeden Satz mit » Wenn du einen Diamanten am Finger haben willst« anfängt, oder mit » Wenn du eine Adresse in SW 3 haben willst«, oder » Wenn du als tolle Gastgeberin gelten willst«.
Ich meine, ich fände es natürlich nett , wenn mir der Ruf vorauseilen
würde, eine tolle Gastgeberin zu sein. Ist ja klar. Aber es steht auf meiner Prioritätenliste im Moment nicht gerade ganz oben.
Außerdem stellt Jemima sich unter einer tollen Gastgeberin vor, dass man einen Haufen reiche Leute einlädt, die ganze Wohnung mit Krimskrams dekoriert, einen Catering-Service mengenweise Köstlichkeiten liefern lässt, seine Mitbewohnerinnen (Lissy und mich) für den Abend ins Kino schickt und gekränkt guckt, wenn sie es wagen, gegen Mitternacht hereinzuschleichen und sich einen Kakao zu kochen.
»Ich habe den Test auch gemacht«, sagt sie jetzt und schnappt sich ihre rosa Louis-Vuitton-Tasche. Ihr Vater hat sie ihr geschenkt, als sie nach dem dritten Date mit einem Typen Schluss gemacht hat. Als hätte er ihr das Herz gebrochen.
Obwohl, er hatte eine Yacht, wahrscheinlich hat es ihr tatsächlich das Herz gebrochen.
»Und, auf wie viel bist du gekommen?«, fragt Lissy.
»Neunundachtzig.« Sie sprüht sich mit Parfum ein, wirft ihr langes, blondes Haar zurück und lächelt sich im Spiegel an. »So, Emma, und du ziehst also mit Connor zusammen?« Mir klappt die Kinnlade herunter.
»Woher weißt du das denn?«
»Ach, das pfeifen schon die Spatzen von den Dächern. Andrew hat Rupes heute Morgen wegen Kricket angerufen, und der hat es ihm erzählt.«
»Du ziehst mit Connor zusammen?«, fragt Lissy ungläubig. »Warum hast du mir das nicht erzählt?«
»Wollte ich ja, echt. Ist das nicht toll?«
»Ganz schlechter Schachzug, Emma.« Jemima schüttelt den Kopf. »Ganz falsche Taktik.«
»Taktik?«, fragt Lissy und verdreht die Augen. » Taktik ? Jemima, die beiden führen eine Beziehung, sie spielen nicht Schach!«
»Eine Beziehung ist ein Schachspiel«, entgegnet Jemima und tuscht sich die Wimpern. »Mummy sagt immer, man muss vorausschauend denken. Man muss strategisch planen. Ein falscher Zug, und das war’s.«
»So ein Blödsinn!«, trotzt Lissy. »In einer Beziehung geht es darum, dass zwei Gleichgesinnte sich finden. Um Seelenverwandtschaft.«
»Seelenverwandtschaft!«, sagt Jemima abschätzig und schaut mich an. »Denk dran, Emma, wenn du einen Diamanten am Finger willst, zieh nicht mit Connor zusammen.«
Ihr Blick wandert in einem pawlowschen Reflex kurz zu dem Foto auf dem Kaminsims, das sie bei einem Wohltätigkeits-Polospiel mit Prince William zusammen zeigt.
»Wartest du immer noch auf deinen Einzug ins Königshaus?«, fragt Lissy. »Wie viel jünger als du ist er noch mal, Jemima?«
»Ach, Quatsch«, zischt sie, und eine zarte Farbe tönt ihre Wangen. »Du bist manchmal so unreif, Lissy.«
»Ich will übrigens gar keinen Diamanten am Finger«, merke ich an.
Jemima zieht ihre perfekt geschwungene Augenbraue hoch, als wollte sie sagen »du arme, dämliche Idiotin«.
»Ach ja«, fügt sie plötzlich hinzu, und ihre Augen verengen sich. »Hat eine von euch sich meinen Joseph-Pulli geliehen?«
Einen Moment lang herrscht Stille.
»Nein«, sage ich unschuldig.
»Ich weiß nicht einmal, welcher das ist«, behauptet Lissy mit einem Achselzucken.
Ich kann Lissy nicht angucken. Ich bin ziemlich sicher, dass sie ihn
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