Sag's Nicht Weiter, Liebling
gemacht habe. Ich hätte das nicht … Aber es hat ja nichts damit zu tun, ob ich gut arbeite. Es hat ja gar nichts zu bedeuten .«
»Finden Sie?« Er schüttelt gedankenvoll seinen Kopf. »Ich weiß nicht. Von einer Drei auf eine Eins … das ist schon ein ganz schöner Sprung. Was ist, wenn Sie hier etwas rechnen müssen?«
»Ich kann rechnen«, sage ich verzweifelt. »Fragen Sie mich doch etwas. Stellen Sie mir einfach eine Rechenaufgabe.«
»Okay.« Seine Mundwinkel zucken. »Acht mal neun.«
Ich starre ihn an, mit rasendem Herzen und leerem Kopf. Acht mal neun. Ich habe keine Ahnung. Mist. Also, einmal neun ist neun. Zweimal neun ist … Quatsch. Andersrum. Acht mal zehn ist achtzig. Also muss acht mal neun …
»Zweiundsiebzig!«, rufe ich und zucke zusammen, als er ein Lächeln andeutet. »Das macht zweiundsiebzig«, füge ich ruhiger hinzu.
»Sehr gut.« Er deutet höflich auf einen Stuhl. »War das alles, was Sie sagen wollten, oder gibt es noch mehr?«
Verwirrt reibe ich mir das Gesicht. »Sie … Sie feuern mich nicht?«
»Nein«, sagt Jack Harper geduldig. »Ich entlasse Sie nicht. Können wir jetzt miteinander reden?«
Als ich mich setze, kommt mir ein furchtbarer Verdacht.
»Wollten …« Ich muss mich räuspern. »Wollten Sie mich überhaupt wegen des Lebenslaufs sprechen?«
»Nein«, sagt er sanft. »Deswegen wollte ich Sie nicht sprechen.«
Ich will sterben.
Ich will genau jetzt und genau hier sterben.
»Ach so.« Ich streiche mir das Haar glatt, versuche, mich zusammenzunehmen und geschäftlich auszusehen. »Aha. Nun ja. Also, äh, was wollten Sie denn … worum …«
»Ich wollte Sie um einen kleinen Gefallen bitten.«
»Ach so!« Na, jetzt bin ich aber gespannt. »Was immer Sie wollen! Ich meine … worum geht es denn?«
»Aus verschiedenen Gründen«, sagt Jack Harper langsam, »wäre es mir lieb, wenn niemand erfährt, dass ich letzte Woche in Schottland war.« Er sieht mir in die Augen. »Deswegen möchte ich gern, dass Sie unsere kleine Begegnung für sich behalten.«
»Natürlich«, sage ich nach einer Pause. »Selbstverständlich. Absolut. Das kann ich ja tun.«
»Sie haben es noch niemandem erzählt?«
»Nein. Niemandem. Nicht mal meinem … ich meine, niemandem. Ich habe es wirklich noch keinem erzählt.«
»Gut. Vielen Dank, ich weiß das sehr zu schätzen.« Er lächelt und steht auf. »Es war nett, Sie wiederzusehen, Emma. Wir sehen uns sicher noch.«
»War das alles?«, frage ich erstaunt.
»Das war alles. Es sei denn, Sie möchten noch etwas besprechen.«
»Nein!« Ich stehe schnell auf und stoße mir am Tisch den Knöchel.
Was habe ich denn erwartet? Dass er mir anbietet, sein aufregendes, neues internationales Projekt zu leiten?
Jack Harper öffnet die Tür und hält sie mir zuvorkommend auf. Als ich schon halb draußen bin, fällt mir noch etwas ein. »Moment.«
»Ja?«
»Was soll ich den anderen sagen, warum Sie mich sprechen wollten?«, frage ich verlegen. »Sie werden mich alle fragen.«
»Sagen Sie doch einfach, wir hätten über Logistik gesprochen.« Er zieht die Augenbrauen hoch und schließt die Tür.
6
Den ganzen Tag über herrscht im Büro eine fast festliche Stimmung. Und ich sitze nur da und kann einfach nicht glauben, was gerade passiert ist. Abends auf dem Heimweg hämmert mein Herz immer noch, weil das alles so unglaublich ist. Weil das alles so ungerecht ist.
Er war ein Fremder. Er sollte ein Fremder bleiben. Der Witz an Fremden ist ja, dass sie dann wieder im Nichts verschwinden und man sie nie wieder sieht. Nicht etwa, dass sie dann im Büro auftauchen. Und nicht, dass sie fragen, was acht mal neun ist. Und erst recht nicht, dass sie sich als der große Oberboss und Arbeitgeber herausstellen.
Also eins habe ich jedenfalls gelernt. Meine Eltern haben schon immer gesagt, ich solle nicht mit Fremden sprechen, und da hatten sie wohl Recht. Ich werde nie wieder mit Fremden sprechen. Nie .
Für heute Abend habe ich mich mit Connor verabredet, und als ich bei ihm zu Hause ankomme, werde ich endlich wieder locker. Endlich weg vom Büro. Weg von dem endlosen Jack-Harper-Geschwätz. Und Connor kocht schon. Das ist ja wohl perfekt. Die Küche ist von wunderbarem Knoblauch-Kräuterduft erfüllt, und auf dem Tisch wartet ein Glas Wein auf mich.
»Hi«, sage ich und gebe Connor einen Kuss.
»Hi, Schatz«, sagt er und sieht vom Herd auf.
Mist. Ich habe ganz vergessen, Schatz zu sagen. Herrje, wie soll ich nur immer daran denken?
Ich weiß
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