Sag's Nicht Weiter, Liebling
Blödsinn! Emma, wenn du einfach drangeblieben wärst und weiter Traumpaar gespielt hättest, dann wärt ihr irgendwann ein Traumpaar geworden !«
»Aber … aber wir wären nicht glücklich gewesen!«
»Ihr wärt ein Traumpaar gewesen«, sagt Jemima, als würde sie einem sehr dummen Kind etwas erklären. » Natürlich wärt ihr glücklich gewesen.« Sie steht vorsichtig auf, pinkfarbene Schaumstoffstückchen zwischen den Zehen, und stakst zur Tür. »Und überhaupt. Jeder täuscht in Beziehungen was vor.«
»So ein Quatsch! Oder jedenfalls sollte man das nicht tun.«
»Natürlich muss man das! Diese ganze Ehrlichkeit wird total überschätzt.« Sie guckt wissend. »Meine Mutter ist seit dreißig Jahren mit meinem Vater verheiratet, und er hat immer noch keine Ahnung, dass sie nicht naturblond ist.«
Sie verschwindet, und ich wechsle einen Blick mit Lissy.
»Glaubst du, sie hat Recht?«, frage ich.
»Nein«, sagt Lissy unsicher. »Natürlich nicht! Beziehungen müssen auf Vertrauen … und Aufrichtigkeit … gründen.« Sie unterbricht sich und sieht mich bekümmert an. »Emma, du hast mir gar nicht erzählt, dass du dich so gefühlt hast.«
»Das … habe ich niemandem erzählt.«
Das ist nicht ganz wahr, merke ich sofort. Aber ich werde meiner besten Freundin wohl kaum sagen, dass ich einem Fremden mehr erzählt habe als ihr.
»Wäre schön gewesen, wenn du dich mir mehr anvertraut hättest«, sagt Lissy ernst. »Emma, wollen wir uns nicht etwas vornehmen? Wir sollten einander alles erzählen. Wir sollten überhaupt keine Geheimnisse voreinander haben. Wir sind doch beste Freundinnen!«
»Gute Idee«, sage ich in einer plötzlichen Gefühlsaufwallung. Spontan beuge ich mich zu ihr und nehme sie in den Arm.
Lissy hat Recht. Wir sollten uns einander anvertrauen. Wir sollten keine Geheimnisse voreinander haben. Ich meine, wir kennen uns seit über zwanzig Jahren, du lieber Gott.
»Also wenn wir uns alles erzählen …« Lissy beißt in ihr Rosinenbrot und wirft mir einen Seitenblick zu. »Dass du mit Connor Schluss gemacht hast, hat das was mit diesem Typen zu tun? Dem Mann aus dem Flugzeug?«
Das versetzt mir einen kleinen Stich, den ich überspiele, indem ich einen Schluck Kaffee trinke.
Hat es etwas mit ihm zu tun? Nein. Nein, hat es nicht.
»Nein«, sage ich, ohne aufzuschauen. »Hat es nicht.«
Wir gucken beide einen Moment lang zu, wie im Fernsehen Kylie Minogue interviewt wird.
»Ach ja!«, sage ich, weil mir plötzlich etwas einfällt. »Wo wir gerade dabei sind … was hast du wirklich mit diesem Jean-Paul in deinem Zimmer gemacht?«
Lissy holt tief Luft.
»Und erzähl mir nicht, ihr hättet Fälle durchgesprochen«, füge ich hinzu, »denn das hätte nicht so gerumpelt und gepumpelt.«
»Oh«, sagt Lissy in die Ecke gedrängt. »Okay. Na ja, wir … wir haben …« Sie trinkt einen Schluck Kaffee und weicht meinem Blick aus. »Ich habe … äh … mit ihm geschlafen.«
»Was?« Ich bin irritiert.
»Ja. Wir hatten Sex. Deswegen habe ich es dir nicht erzählt. Ich habe mich geniert.«
»Du hast mit Jean-Paul geschlafen?«
»Ja!« Sie räuspert sich. »Wir hatten leidenschaftlichen … scharfen … animalischen Sex.«
Irgendwas stimmt hier nicht.
»Das glaube ich dir nicht«, sage ich und sehe sie eindringlich an. »Ihr habt nicht miteinander geschlafen.«
Die rosa Flecken auf Lissys Wangen werden dunkler.
»Doch, haben wir!«
»Nein, habt ihr nicht! Lissy, was habt ihr wirklich gemacht?«
»Wir hatten Sex, okay?«, sagt Lissy aufgebracht. »Er ist mein neuer Freund und … das haben wir halt gemacht! Lass mich doch in Ruhe.« Nervös steht sie auf, krümelt alles mit Rosinenbrot voll und stolpert beim Hinausgehen auch noch über den Teppich.
Ich starre ihr völlig gebannt hinterher.
Warum lügt sie mich an? Was um alles in der Welt hat sie da drin gemacht? Und was ist noch peinlicher als Sex? Ich finde das so spannend, dass es mich fast schon aufmuntert.
Ehrlich gesagt ist es nicht das tollste Wochenende meines Lebens. Es wird noch weniger toll, als eine Postkarte von Mum und Dad aus dem Le Spa Meridien ankommt, auf der sie schreiben, wie sehr sie ihren Aufenthalt dort genießen. Und noch weniger toll, als ich in meinem Horoskop in der Mail lese, dass ich möglicherweise gerade einen großen Fehler begangen habe.
Montagmorgen geht es mir schon besser. Ich habe keinen Fehler gemacht. Heute fängt ein neues Leben an. Ich werde einfach nicht mehr an Liebe und Romantik
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