Sag's Nicht Weiter, Liebling
achselzuckend. »Er sieht doch irgendwie schwul aus, findet ihr nicht?«
»Eigentlich nicht«, sagt Caroline und verzieht das Gesicht. »Nicht geschniegelt genug.«
»Ich finde auch nicht, dass er schwul aussieht!«, sage ich und bemühe mich, unbekümmert und nur am Rande interessiert zu klingen.
»Er ist nicht schwul«, schreitet Artemis bestimmt ein. »Ich habe ein altes Porträt über ihn in der Newsweek gelesen, damals war er mit der Vorstandsvorsitzenden von Origin Software zusammen. Und vorher ist er mit einem Supermodel gegangen.«
Ich bin ja so erleichtert.
Ich wusste doch, dass er nicht schwul ist. Natürlich wusste ich, dass er nicht schwul ist.
Also wirklich, haben die nichts Besseres zu tun, als sich in dummen, hirnlosen Vermutungen über Leute zu ergehen, die sie gar nicht kennen?
»Und hat er im Moment eine Freundin?«
»Wer weiß?«
»Er ist doch ziemlich sexy, findet ihr nicht?«, sagt Caroline mit laszivem Lächeln. »Ich würde ihn nicht von der Bettkante schubsen.«
»Na klar«, sagt Nick. »Seinen Privatjet wahrscheinlich auch nicht.«
»Seit Pete Laidlers Tod hat er offensichtlich keine Freundin mehr gehabt«, sagt Artemis steif. »Ich glaube kaum, dass du eine Chance hast.«
»Pech gehabt, Caroline«, sagt Nick und lacht.
Mir wird richtig unbehaglich, wenn ich das höre. Vielleicht sollte ich einfach aus dem Raum verschwinden, bis sie fertig sind. Aber das könnte auch wieder die Aufmerksamkeit auf mich lenken.
Einen kurzen Augenblick lang erwische ich mich bei der Vorstellung, aufzustehen und zu sagen: »Ich war gestern Abend mit Jack Harper zum Abendessen aus.« Sie würden mich alle sprachlos anstarren, und vielleicht würde jemand nach Luft schnappen und …
Ach, so ein Blödsinn. Sie würden es noch nicht einmal glauben. Sie würden sagen, ich leide unter Halluzinationen.
»Hi, Connor«, unterbricht Carolines Stimme meine Gedanken.
Connor? Bestürzt sehe ich auf. Und da ist er, er kommt ohne Vorwarnung mit waidwundem Blick auf meinen Tisch zu.
Was will er hier?
Ich bekomme Herzklopfen und streiche mir nervös das Haar zurück. Ich habe ihn zwar schon ein paarmal irgendwo im Gebäude bemerkt, aber jetzt sehe ich ihn seit unserer Trennung zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht.
»Hi«, sagt er.
»Hi«, antworte ich betreten, und dann schweigen wir.
Plötzlich merke ich, dass die angefangene Liste mit Date-Ideen gut sichtbar auf meinem Tisch liegt. Mist. So beiläufig wie möglich greife ich nach dem Zettel, zerknülle ihn und werfe ihn lässig in den Papierkorb.
Der Tratsch über Sven und Jack ist erstorben. Ich weiß, dass das ganze Büro uns zuhört, auch wenn alle so tun, als wären sie mit irgendwas beschäftigt. Als wären wir die hausinterne Seifenoper oder so.
Und ich weiß auch, welche Rolle ich darin spiele. Ich bin die herzlose Zicke, die ihrem reizenden und liebenswürdigen Mann grundlos das Herz bricht.
O Gott. Das Dumme ist, ich fühle mich wirklich schuldig, ehrlich. Jedes Mal, wenn ich Connor sehe oder auch nur an ihn denke, schnürt es mir die Brust zusammen. Aber muss er seinen
verletzten Stolz so offen zur Schau tragen? Er hat die ganze Zeit diesen Du-hast-mich-tödlich-verletzt-aber-ichbin-so-ein-guter-Mensch-dass-ich-dir-verzeihe-Gesichtsausdruck. Ich spüre, wie mein Schuldgefühl einer gewissen Gereiztheit weicht.
»Ich wollte nur eben sagen«, sagt Connor schließlich, »dass ich uns beide eingetragen habe, zusammen beim Corporate Family Day eine Schicht am Pimm’s-Stand zu übernehmen. Natürlich habe ich da noch gedacht, dass wir …« Er bricht ab und guckt verletzter denn je. »Na ja. Meinetwegen können wir das trotzdem machen. Natürlich nur, wenn es dir nichts ausmacht.«
Ich bin bestimmt nicht diejenige, die jetzt sagt, ich könnte es nicht ertragen, eine halbe Stunde lang neben ihm zu stehen.
»Nö, macht mir nichts aus«, sage ich.
»Gut.«
»Gut.«
Und wieder eine peinliche Pause.
»Ach, übrigens, ich habe noch dein blaues Hemd«, sage ich achselzuckend. »Ich bringe es demnächst mal mit.«
»Danke. Ich glaube, ich habe auch noch ein paar Sachen von dir …«
»Hey«, sagt Nick, der mit einem hinterhältigen, augenblitzenden Jetzt-wühlen-wir-mal-im-Dreck-Gesichtsausdruck herangekommen ist. »Ich habe dich gestern mit jemandem gesehen.«
Mein Herz macht einen großen, entsetzten Satz. Verdammt! Verdammt, verdammt, okay … okay … Alles okay. Er sieht mich nicht an. Er sieht Connor an.
Mit wem zum Teufel war Connor
Weitere Kostenlose Bücher