Sag's Nicht Weiter, Liebling
fallen lasse.
Mein Herz hämmert. Fast wird mir schlecht. Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so schockiert. Ich hätte diese
Tür nicht öffnen dürfen. Ich hätte niemals diese Tür öffnen dürfen.
Sie hat die Wahrheit gesagt! Sie hatten Sex! Aber ich meine, was für seltsamer, perverser Sex war das denn? Hammerhart. Das habe ich nicht gewusst. Ich dachte nicht …
Ich spüre eine Hand auf der Schulter und schreie schon wieder auf.
»Emma, jetzt mach dich mal locker!«, sagt Lissy. »Ich bin’s. Jean-Paul ist weg.«
Ich kann nicht aufsehen. Ich kann ihr nicht in die Augen sehen.
»Lissy, es tut mir Leid«, brabbele ich und starre auf den Boden. »Es tut mir so Leid! Ich wollte das nicht. Ich hätte nicht … dein Liebesleben geht mich ja nichts an.«
»Emma, wir hatten doch keinen Sex, du Knalltüte!«
»Hattet ihr wohl! Ich habe es doch gesehen! Ihr hattet überhaupt nichts an.«
»Wir hatten etwas an. Emma, guck mich doch mal an.«
»Nein!«, sage ich panisch. »Ich will dich nicht angucken!«
» Guck mich an!«
Besorgt hebe ich den Kopf und fokussiere meinen Blick langsam auf Lissy, die vor mir steht.
Oh. Oh … klar. Sie trägt einen hautfarbenen Turnanzug.
»Und was habt ihr dann gemacht, wenn ihr keinen Sex hattet?«, sage ich fast anklagend. »Und warum trägst du so was?«
»Wir haben getanzt«, sagt Lissy peinlich berührt.
»Was?« Ich bin vollkommen fassungslos.
»Wir haben getanzt, okay? Das haben wir gemacht!«
» Getanzt? Aber … wieso habt ihr getanzt?«
Das ergibt doch alles keinen Sinn. Lissy tanzt mit einem Franzosen namens Jean-Paul in ihrem Zimmer? Ich bin wohl im falschen Film.
»Ich bin da in so einer Gruppe«, sagt Lissy nach einer Pause.
»Ach du lieber Gott. Aber doch keine Sekte …«
»Nein, keine Sekte. Es ist nur …« Sie beißt sich auf die Lippe. »Es sind ein paar Rechtsanwälte, die sich zusammengetan und eine … Tanzgruppe gegründet haben.«
Eine Tanzgruppe?
Ein paar Augenblicke lang bin ich sprachlos. Jetzt, wo der Schreck vorüber ist, habe ich plötzlich das furchtbare Gefühl, in Gelächter ausbrechen zu müssen.
»Du bist in einer Gruppe … tanzender Anwälte.«
»Ja.« Lissy nickt.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich plötzlich einen wilden Haufen beleibter Anwälte in Perücken herumtanzen und kann nicht mehr dagegen an, ich pruste los.
»Siehst du!«, schreit Lissy. »Deswegen habe ich es dir nicht erzählt. Ich wusste , dass du lachen würdest.«
»Tut mir Leid«, sage ich. »Es tut mir echt Leid. Ich lache ja auch gar nicht, ich finde das wirklich toll!« Schon wieder muss ich hysterisch kichern. »Es ist nur … ich weiß nicht. Irgendwie ist die Vorstellung von tanzenden Anwälten …«
»Es sind nicht nur Anwälte«, rechtfertigt sie sich. »Es sind auch ein paar Banker dabei und ein Richter … Emma, hör auf zu lachen!«
»Tut mir Leid«, sage ich hilflos. »Lissy, ich lache dich doch nicht aus, ehrlich.«
»Das ist nicht witzig!«, sagt Lissy. »Es sind einfach ein paar gleich gesinnte Kollegen. Ist das so schlimm?«
»Tut mir Leid«, sage ich schon wieder, wische mir die Tränen aus den Augen und versuche, mich wieder unter Kontrolle zu bringen. »Das ist überhaupt nicht schlimm. Ich finde es toll. Und … führt ihr es auch mal auf oder so?«
»In drei Wochen. Deswegen haben wir noch extra geübt.«
»In drei Wochen?« Ich starre sie an, und mein Lachen erstirbt. »Wolltest du es mir überhaupt nicht erzählen? «
»Ich … wusste nicht recht«, sagt sie und wischt mit den Tanzschuhen auf dem Boden herum. »Es war mir peinlich.«
»Das braucht dir doch nicht peinlich zu sein!«, sage ich erschrocken. »Lissy, es tut mir Leid, dass ich gelacht habe. Ich finde das wirklich toll. Und ich komme und gucke zu. Ich setze mich in die allererste Reihe …«
»Bloß nicht in die erste Reihe. Da bringst du mich nur aus dem Konzept.«
»Dann setze ich mich in die Mitte. Oder nach hinten. Wohin auch immer du willst.« Ich sehe sie neugierig an. »Lissy, ich wusste gar nicht, dass du tanzen kannst.«
»Oh, kann ich auch nicht«, sagt sie sofort. »Ich tanze richtig scheiße. Ist ja auch nur zum Spaß. Willst du einen Kaffee?«
Als ich Lissy in die Küche folge, zieht sie eine Augenbraue hoch und sieht mich an. »Du hast ja Nerven, mir vorzuwerfen, ich hätte Sex. Wo warst du denn heute Nacht?«
»Bei Jack«, gebe ich mit verträumtem Lächeln zu. »Ich hatte Sex. Die ganze Nacht.«
»Wusst ich’s doch.«
»O Gott,
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