Sahnehäubchen: Roman
mit ihrer Show auf und konzentriert sich auf das Wesentliche: essen!
Vielleicht hatte ich auch einfach Hunger, denn nach dem ebenfalls hervorragenden Hauptgang (Steinbuttfilet mit Gamba-Ragout, lecker!) bin ich schon viel friedfertiger gestimmt und verfolge das dümmliche Gespräch zwischen Lichtenhagen und Nils mit mildem Verständnis. Soll die Pute sich doch schön an ihm abarbeiten, sie weiß schließlich nicht, was ich weiß.
Zum Dessert hat die Küche ein Zitronensorbet mit Prosecco und frischer Minze für uns gezaubert – ich beschließe, dass dazu ein weiteres Glas Champagner sehr viel besser passt als der Espresso, den sich alle anderen bestellen. Weidner senior prostet mir mit seinem Wasserglas zu.
»Sie haben recht, Frau Seefeld. Heute ist definitiv ein Abend, um Champagner zu trinken! Ich bin wirklich sehr glücklich mit meiner Entscheidung, Ihnen diesen Auftrag gegeben zu haben. Aber sagen Sie«, setzt er wie beiläufig hinterher, »wollte denn mein Sohn gar nicht mitkommen?«
Diese Frage macht mich jetzt allerdings ein Stück weit fassungslos. Weiß er etwa noch nicht, dass Tom gekündigt hat?
»Haben Sie mit Ihrem Sohn denn seit letzter Woche gar nicht gesprochen?«, erkundige ich mich vorsichtig.
»Nein, seit seinem unrühmlichen Auftritt am Freitag habe ich ihn weder gesehen noch von ihm gehört.«
Ich ringe kurz mit mir, dann starte ich das Projekt Stunde der Wahrheit. »Tom hat bei uns gekündigt. Und zwar fristlos, gleich am Freitag.«
»Das musste ja so kommen.« Weidner senior schüttelt den Kopf. »Dieses Kind macht mich wahnsinnig. Nie bringt es etwas zu Ende. Nie!«
»Also, verzeihen Sie mir, wenn ich das so deutlich sage. Aber Tom ist kein Kind, sondern ein dreißigjähriger Mann.« Ups. Das ist wohl eher der Champagner als der gesunde Menschenverstand, der da aus mir spricht. Über den Tisch wirft mir Susanne ein strahlendes Lächeln zu, das allerdings von einem stählernen Blick der Marke Schnauze, sonst Beule begleitet wird. Es wäre also schlauer, jetzt den Mund zu halten.
Ach, ich pfeife auf schlau!
»Und wie Sie ihn am Freitag behandelt haben, war unter aller Kanone. Dass er da keinen Wert mehr auf die weitere Zusammenarbeit legt, wundert mich nicht im Geringsten.«
Weidner schaut mich erstaunt an, vielleicht auch konsterniert. »Ich muss doch sehr bitten – wie ich mit meinem Herrn Sohn verfahre, geht Sie überhaupt nichts an.«
Okay, konsterniert. Trotzdem habe ich nicht vor, so schnell klein beizugeben.
»Ist Ihnen schon mal der Gedanke gekommen, dass es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Verhältnis zu Tom und seinem Verhalten geben könnte? Es muss doch einen Grund geben, warum es ihm so schwerfällt, seinen beruflichen Weg zu finden. Und seitdem ich Sie beide am Freitag zusammen erlebt habe, ist mir so einiges klargeworden.« Am liebsten würde ich ihm noch ein donnerndes Kein Wunder, dass Ihr Sohn mich erst küsst und dann im Regen stehen lässt, ohne sich zu melden, bei so einem emotional unterentwickelten Vater an den Kopf werfen, denn tatsächlich piesackt es mich sehr, dass Tom sich immer noch nicht bei mir gemeldet hat. Aber offensichtlich bin ich mittlerweile sowieso schon ziemlich laut, denn Susanne steht auf einmal neben mir und legt ihre Hand auf meinen Arm.
»Also bitte, Nina, das geht uns wirklich nichts an. Lass Herrn Weidner jetzt mal in Ruhe sein Dessert genießen.« Klar, die hat natürlich Angst um ihren Premiumkunden.
»Wieso, du hast doch selbst gesagt, dass du das am Freitag unmöglich fandst.«
Weidner schnappt nach Luft, Susanne schaut mich scharf an.
»Damit meinte ich natürlich das Verhalten unseres Volontärs«, sagt sie langsam und sehr deutlich, damit kein Zweifel daran besteht, auf wessen Seite sie sich damit schlägt.
»Gut. Dann meintest du eben das. Trotzdem, ich bleibe dabei: Wenn Sie denken, dass Ihr Sohn ein Problem hat, Herr Weidner, dann sollten Sie sich fragen, ob Sie nicht auch ein Teil davon sind.« In diesem Moment wird mir bewusst, dass mich alle an unserem Tisch anstarren – und auch drei oder vier andere Gäste um uns herum. Bin ich zu weit gegangen? Egal, jetzt kann ich es sowieso nicht mehr ändern.
Auch Nils scheint zu merken, dass sich gerade ein Unheil anbahnt. Und bevor Weidner mich hochkant hinausschmeißt und Susanne mitteilt, dass ein Auftrag von ihm nur in Kombination mit meiner Kündigung in Frage kommt, klopft er kurzerhand an sein Glas. Alle Köpfe drehen sich in seine Richtung.
»Liebe Freunde –
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