Sahnehäubchen: Roman
Polonaise anführt. Was für ein Fest!
Als gegen 18:30 Uhr die letzte Bierleiche Richtung Ausgang gekehrt wird, strahlt Günter Hartmann mich mit leuchtenden Augen an: »Frau Feldhase – oder darf ich Ina sagen? Es war mir ein großes Vergnügen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Das müssen wir wiederholen, unbedingt, unbedingt!« Völlig euphorisiert schüttelt er meine Hand, von Huschka gibt’s zum Abschied eine brüderliche Umarmung plus bierfeuchtem Schmatzer auf die Wange.
Pünktlich um 20 Uhr rollt mein ICE aus dem Düsseldorfer Hauptbahnhof gen Heimat. Ich entere sofort das Bordrestaurant. Mann, habe ich einen Hunger!
6. Kapitel
H allo Frau Seefeld, Miriam Lipfert hier, Redaktion Spiegel der Frau . Ich würde mich über einen Rückruf von Ihnen freuen. «
Die Nachricht auf meiner Mailbox gibt mir Rätsel auf. Habe ich etwa im Suff ein Abo abgeschlossen? Oder will Deutschlands auflagenstärkste Frauenzeitschrift eine Homestory über den bekannten Chefarzt und Kardiologen Alexander von Kannhardt, seine Gattin, die begabte Pianistin Finja Seefeld, und ihre entzückenden Kinder bringen und braucht zur Steigerung der Fallhöhe noch die beruflich vor sich hin vegetierende Single-Schwägerin, die gelegentlich zu Familienfesten eingeladen wird? Finja im Glück – aber wie wird ihre Schwester damit fertig?
Ich schwanke zwischen sofort zurückrufen und erst im Büro darum kümmern – dann siegt meine Neugier. Bis ich endlich im Büro bin, wird es schließlich noch ein bisschen dauern, denn ich komme gerade erst aus der Dusche. Außerdem warten dort nach meiner unfreiwillig längeren Abwesenheit mit Sicherheit mindestens fünfhundert E-Mails auf mich, denn egal, ob es an der Holzbüttgen-Diät gelegen hat oder es vielmehr das köstliche Essen im Bordrestaurant des ICE war: Irgendetwas hat mich so niedergestreckt, dass ich die letzten drei Tage mit einer Magen-Darm-Grippe das Bett gehütet habe. Immerhin, um meine Bikinifigur brauche ich mir vorerst keine Sorgen zu machen.
Ich drücke die Rückruftaste, ein paar Sekunden später habe ich Frau Lipfert am Hörer.
»Hallo Frau Seefeld, das ist ja schön, dass Sie sich gleich melden. Also, gleich mal vorweg – diese Verführergeschichte ist großartig. Den Typen beim Aufriss zu begleiten stellen wir uns hier in der Redaktion sehr interessant vor. Allerdings brauchen wir die Geschichte natürlich exklusiv. Wann genau steht Herr Bosworth denn zur Verfügung?«
Schluck! Was ist denn da passiert? Wieso hat Spiegel der Frau schon diese Informationen? Und überhaupt – SdF gehört nun wirklich nicht zu den Blättern, die unsere angepeilte Zielgruppe liest.
»Äh, Frau Lipfert, ich bin jetzt gerade nicht ganz im Bilde, weil ich die letzten Tage nicht im Büro war. Haben Sie denn schon ein Leseexemplar bekommen?«
»Ja, zusammen mit dem Pressetext, in dem auf die Aktion mit Bosworth verwiesen wird. Normalerweise melden wir uns nicht so schnell, aber wir machen jetzt in jedem Heft eine große Reportage, und da waren wir uns sofort einig, dass das ein super Thema für unsere Leserinnen wäre.«
So langsam ahne ich ganz Furchtbares. Da scheint jemand in meiner Abwesenheit operative Hektik an den Tag gelegt und unabgesprochen das Mailing rausgejagt zu haben! Und ich kann mir auch denken, wer. Ich muss sofort ins Büro!
»Frau Lipfert, ich würde Sie gerne zurückrufen, sobald ich an meinem Schreibtisch sitze.«
»Klar, machen Sie mal.«
Ich werde nicht brüllen. Ich bin ruhig, kontrolliert, souverän.
» Weidner! Sind Sie eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Sie haben das Mailing schon rausgeschickt? Ohne es mir zu zeigen?«
Okay, der Versuch war es wert, hat aber nicht geklappt. Vermutlich hat das gesamte Büro mich nun gehört. Und der Rest des Hauses noch dazu. Vor mir sitzt – oder besser: hockt – Tom Weidner und hat gerade gestanden, dreißig Frauenmagazine mit Bosworths Werk bemustert zu haben. Also quasi alle Redaktionen dieser Gattung. Inklusive seines Textes, der fast noch die ursprüngliche Form hatte.
»Na ja, kaum waren Sie weg, da wurden schon die Leseexemplare geliefert, und Montag hat der Verlag angerufen, dass Bosworth schon in der nächsten Woche zur Verfügung steht und jetzt alles schnell gehen müsse, und Sie waren ja leider krank. Frau Becelius hat dann auch gemeint, dass der Text gar nicht so schlecht ist, und …«
Ich traue meinen Ohren nicht. Was hat Susanne gesagt? »Frau Becelius hat den Text abgesegnet? « Bildet
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