Sahnehäubchen: Roman
ein wenig zu glätten, versuche ich es mal in nett: »Herr Bosworth, Sie sprechen übrigens ein ausgezeichnetes Deutsch. Wenn Ihr Akzent nicht wäre, könnte man Sie glatt für einen Muttersprachler halten. Wo haben Sie unsere Sprache so gut gelernt?«
Bosworth ist ob des unerwarteten Kompliments tatsächlich geschmeichelt. Butterzart – und erstaunlicherweise akzentfrei – gibt er zurück: »Danke! Meine Mutter ist Deutsche, und ich bin zweisprachig aufgewachsen. Der Akzent ist nur Show für euch Europäer. Da steht ihr doch drauf, richtig? Und keine Sorge: Ich bin nicht beleidigt. Ist ja verständlich, dass Sie skeptisch sind. Sie sind schließlich eine Frau und wollen wahrscheinlich nicht wahrhaben, wie einfach es in Wirklichkeit ist, euch rumzukriegen.« Er gibt ein keckerndes Geräusch von sich, das man mit gutem Willen für ein freundliches Lachen halten könnte. Den bringe ich allerdings nicht auf. »Glaube mir, auch du könntest mir nicht widerstehen. Ich müsste nur wollen.«
Ich beschließe, diese Unverschämtheit zu ignorieren und stattdessen weiter über die Pressearbeit zu reden. »Wenn das alles den Tatsachen entspricht – umso besser. Gibt es denn besondere Anforderungen an die Bar, die Sie mit der Presse besuchen wollen? Dann könnte sich Herr Weidner schon mal daranmachen, das zu organisieren.«
Unser Volontär gibt sich ganz dienstbeflissen und nickt eifrig. Bosworth hingegen guckt gelangweilt.
»Nein, das ist eigentlich egal. Hauptsache, es gibt auch Frauen dort.«
»Also, ich habe mir tatsächlich schon ein paar Gedanken gemacht, wo wir hingehen könnten«, meldet sich Tom Weidner zu Wort. »Dafür habe ich eine Liste vorbereitet und würde das gerne besprechen.« Er springt auf und drückt jedem von uns einen Zettel in die Hand, auf den er – alle Achtung – auch immer ein Bild von oder aus der Location kopiert hat. »Das sind alles Bars, die gerade ganz angesagt sind. Da finden wir mit Sicherheit genug Testpersonen für Herrn Bosworth und fallen als Gruppe auch nicht so sehr auf, weil es immer recht voll ist. Die Journalisten sehen dann gleich, dass sich ein Mann zum Flirten auch in Top-Locations wagen kann – also dorthin, wo die echten Sahneschnitten warten.«
Ts, ts, ts. Sahneschnitten? Offenbar hat sich Weidner den Duktus unseres Frauenhelden schon zu eigen gemacht! Der lächelt jetzt anerkennend.
»Sehr gut, mein Junge! Ich sehe, dass du mein Buch verstanden hast! Wir wollen dahin, wo die Sahnehäubchen sind. Die echten Top-Weiber.« Er wirft mir die Liste über den Tisch zu. »Und, in welchem dieser Läden wartest du abends auf den Fuchs, Hase?«
7. Kapitel
D ie ChiChi-Bar in Winterhude ist ein Laden, in den ich freiwillig niemals einen Fuß setzen würde. Das liegt weniger daran, dass ich auf der Skala von Dwaine wahrscheinlich nicht bei den »Top-Weibern« rangiere, sondern vielmehr daran, dass ich in einem solchen Etablissement einfach nichts verloren habe. Das Publikum ist zwar nur etwas jünger als ich, aber offensichtlich mit deutlich mehr Kohle ausgestattet. Soeben ist ein Jungspund damit beschäftigt, einer dauerkichernden südamerikanischen Schönheit den Gutteil einer Flasche Veuve Cliquot in den Ausschnitt zu gießen. Die reinste Verschwendung, und das nicht nur, weil die Flasche in der Bude bestimmt über hundert Euro kostet. Die Herren tragen Ralph Lauren, die Damen Gucci, Dolce und Gabbana und lange Mähnen: Aus der Summe der hier versammelten Hairextensions könnte man leicht einen Läufer für die Stufen zum Petersdom knüpfen. Wenn ich Leiter der Abteilung Betäubungsmittel beim Landeskriminalamt wäre, würde ich hier außerdem den ein oder anderen verdeckten Ermittler zum Einsatz bringen. Die Blondine am Tresen neben mir sieht jedenfalls so aus, als hätte sie heute schon ein Näschen genommen: Ihr Blick ist starr, aber trotzdem redet sie ununterbrochen auf ihren Nebenmann ein und versucht offensichtlich, ihn von ihren Vorzügen zu begeistern.
Bei dem Typen handelt es sich leider nicht um Dwaine. Der steht noch etwas unschlüssig herum und wird dabei eindringlich von der Lipfert beobachtet. Zumindest klamottentechnisch gibt es da einiges zu sehen: Dwaine trägt ein sehr buntes, sehr tief aufgeknöpftes Hemd, sein LOVE-Kettchen prangt mittig auf der Brust, und offensichtlich hat er sich seit unserem letzten Treffen ein Brusttoupet zugelegt. Am auffälligsten aber sind die Haare auf Dwaines Kopf. Irgendwie … irgendwie glitzern sie. Ich erinnere
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