Sahnehäubchen: Roman
Verlegersohn als Nächstes schleppt. Leider kann der aber weder meinen Blick noch meine Gedanken lesen, und deswegen wartet er mit einer neuen Idee auf.
»Wie wär’s denn mit dem Zwack?«
Das Zwack? Diese runtergekommene Spelunke, die ihre guten Zeiten vor schätzungsweise dreißig Jahren feierte? So erzählt man es sich zumindest, persönlich überprüfen kann das ja nun niemand mehr.
»Dieser Schuppen? Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, Weidner!« Bevor ich ihn noch mehr zusammenstauchen kann, mischt sich die Lipfert ein.
»Warum eigentlich nicht? Ich finde die Idee ganz charmant. So haben wir wenigstens einen guten Überblick über das Können von Herrn Bosworth in jedem … äh … Gelände.«
»Lady, Ihr Wunsch ist mir Befehl.« Dwaine nickt begeistert. Er scheint immer noch überzeugt zu sein, dass seine Masche im Grunde genommen super war. Widerstand ist also zwecklos, wir trotten Richtung Zwack.
Eine Viertelstunde später haben wir unser Ziel erreicht. Dwaine öffnet Miriam Lipfert und mir galant die Tür, wir treten ein … und mich haut es fast nach hinten um: Der Laden ist so verraucht, dass man im Grunde genommen ein Nebelhorn braucht, um sich gefahrlos fortbewegen zu können. Das Stichwort Nichtraucherschutz scheint hier niemandem etwas zu sagen, und erst recht nicht dem Kneipier. Hat allerdings den eindeutigen Vorteil, dass kein Mensch erkennen wird, dass Dwaine wie ein Clown rumläuft.
Am Tresen drängt sich eine Menschentraube, die Stimmung scheint super. Aus den Lautsprechern dröhnt Hells Bells von AC/DC. Dwaine wirft einen Blick in die Runde und nickt anerkennend: »Geile Weiber hier. Genau der richtige Laden.«
Miriam Lipfert zupft ihn am Ärmel. »Könnten Sie mir das kurz näher erläutern? Was genau macht die Weiber denn hier so geil? «
Das frage ich mich offen gestanden auch gerade. Bisher konnte ich nur drei angeschickerte Damen weit jenseits der vierzig erkennen, die von Figur und Styling eher nicht zu den Finalistinnen bei Germany’s Next Topmodel gehören würden. Sie besuchen offenbar alle gerne das Solarium, und zumindest zwei von ihnen scheinen nebenbei noch genug Zeit zu haben, um sich in einem Nagelstudio sehr aufwendige Muster auf die Acrylnägel pinseln zu lassen. Wer’s tragen kann. Dwaine begutachtet die Szenerie fachmännisch, dann gibt er uns eine Kostprobe seiner messerscharfen Analysefähigkeit.
»Warum die drei da vorne geil sind? Ist doch klar. Für mich die ideale Beute zum Vorglühen.«
Wenn die Lipfert die Augenbraue noch höher zieht, wird sie vermutlich gleich mit ihrem Haaransatz verwachsen. »Vorglühen, ja? Das müssten Sie mir genauer erklären. War das nicht eher die junge Dame im ChiChi?«
»Ach, das war ein kleiner Fehlstart, wie ihn selbst ein gutgeölter Porsche manchmal hat – das verstehen Sie doch sicher?« Dwaine gibt ein nachsichtiges Brummen von sich, als müsse er mit einem begriffsstutzigen Kind sprechen. »Also mal Klartext: Wenn ich diese alten Hecken anspreche, werden sie mir automatisch dankbar sein. Die schaut doch sonst keiner mit dem Arsch an. Und für mich ist es eine gute Gelegenheit, mich aufzuwärmen, bevor ich bei einem richtigen Hammerweib in den fünften Gang hochschalte.«
Ich räuspere mich. Türaufhalten hin oder her, Dwaine ist ein echtes Chauvi-Schwein. Gut, keine neue Erkenntnis, aber so live und in Farbe ist nun doch verstärktes Fremdschämen angesagt. Miriam Lipfert scheint es ähnlich zu gehen.
»Nun ja, so alt sind die Damen auch nicht. Und nicht jede Frau, und sei sie noch so betagt, will immer angesprochen werden. Vielleicht möchten sich die drei einfach einen netten Abend machen?«
»Netter Abend?« Dwaine schüttelt energisch den Kopf. »So ’n Quatsch. Seit wann gehen Frauen denn in einen solchen Laden wie den hier, um sich aufgepimpt mit ihren Freundinnen zu unterhalten? Die wollen angebaggert und abgeschleppt werden, das sehe ich doch genau. Passt mal auf!« Er geht auf das Trio zu und legt gleich mal seine Arme um die Schultern der beiden Damen, zwischen denen er zum Stehen kommt.
»Hello Ladys!«, hören wir durch den Lärm, als wir hastig ebenfalls zur Bar vorlaufen. »Habt ihr noch Verwendung für einen armen Cowboy auf der Durchreise?«
Die drei kichern. Dann windet sich die Rechte aus seinem Griff. »Hihi – ein echter Cowboy? Wo ist denn dann dein Pferd? Draußen angebunden?«
»Mein Pferd habe ich in Texas gelassen. Aber ich habe etwas viel Besseres mit. Etwas, auf dem du auch reiten
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