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Sahnehäubchen: Roman

Sahnehäubchen: Roman

Titel: Sahnehäubchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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raus bin, wusste ich, dass mir zu Hause die Decke auf den Kopf fallen würde. Also bin ich erst mal eine Stunde ziemlich planlos durch die Gegend geradelt.«
    »Und dann bist du zufälligerweise hier vorbeigekommen?«
    »Nein, nicht zufällig.« Er sieht mich nicht an, sondern studiert die Bodenfliesen, als würden sie aus Pompeji stammen und nicht aus dem nächsten Großhandel. »Ich wollte dich gerne sehen.«
    »Aber woher weißt du denn, wo ich wohne?«
    »Ganz einfach: über die Auskunft.« Er grinst mich schief an. »Recherchieren habe ich doch schließlich gelernt in den letzten Wochen.«
    »Okay. Du hast mich gefunden. Und nun?«
    »Ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann. Du hast das Debakel heute ja miterlebt.«
    »Klar. Und natürlich war es unangenehm. Aber wieso hast du gekündigt? Ich verstehe das nicht ganz.«
    »Ich hatte auf einmal das Gefühl, dass ihr mich alle für einen Totalausfall haltet und mich sowieso nur wegen meines Vaters noch mitschleppt«, erklärt er kleinlaut. »Das ist ein schreckliches Gefühl; ich wollte mir – und euch – das nicht länger antun.«
    Ich nicke und krame dann den Haustürschlüssel aus meiner Handtasche. »Komm, lass uns mal reingehen. Wir müssen das doch nicht im Hausflur besprechen.«
    In meiner Wohnung biete ich Tom einen Platz auf dem Sofa an, dann hole ich uns etwas zu trinken. Ich setze mich neben ihn und drücke ihm ein Glas Apfelschorle in die Hand.
    »Zurück zu unserem Ausgangsthema: Ich finde, die Nummer heute wirft ein wesentlich schlechteres Licht auf deinen Vater als auf dich. Also, genau genommen wirft sie auf dich überhaupt kein schlechtes Licht. Du warst gut vorbereitet – und dein Vater ist, aus für Außenstehende völlig unerklärlichen Gründen, ausfallend geworden. Es war für ihn peinlich, nicht für dich. Allerdings muss man lernen, mit solchen Situationen umzugehen.«
    »Ich konnte einfach nicht länger bleiben. Und dann habe ich mir gesagt, dass ich ohne meinen Vater bei euch sowieso kein Volontariat bekommen hätte und dass sein Schatten mich deswegen auch bei euch immer verfolgen wird. Falls du verstehst, was ich meine.«
    »Klar verstehe ich das. Aber in diesem Fall bildest du dir das ein.«
    »Ach wirklich?« Tom runzelt die Stirn. »Du hattest mir doch schon abgesagt. Ich habe mich wirklich gefreut, als du mich dann wieder angerufen hast, aber im Nachhinein war das wahrscheinlich nur, weil Susanne es wollte.«
    Gut, wo er recht hat, hat er recht. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass dies genau die Situation ist, in der Notlügen nicht nur moralisch erlaubt, sondern sogar zwingend erforderlich sind. Ich schüttle also den Kopf.
    »Nein. Das stimmt nicht. Wir haben damals schon über dieses Thema gesprochen. Und außerdem: Nach dem zugegebenermaßen etwas holprigen Start lief es in letzter Zeit doch super! Also, willst du es dir nicht noch einmal überlegen? Du könntest auch an einem anderen Projekt arbeiten, dann hättest du mit dem Verlag überhaupt nichts mehr zu tun.«
    »Ich weiß nicht«, murmelt er. »Sieh mich an! Ich bin dreißig Jahre alt und habe außer unglaublich vielen Unisemestern ohne Abschluss noch nichts auf die Reihe gekriegt. Zur Krönung watscht mich mein Alter heute wie einen kleinen Jungen ab. Das kann so nicht weitergehen. Und nur ich habe es in der Hand, daran etwas zu ändern. Das muss ich schon aus Selbstachtung tun, und wenn es mich zur Stadtreinigung verschlägt. Lieber demnächst den gelben Sack einsammeln, als weiter als Weidner junior durchs Leben zu laufen. Ich muss mir etwas suchen, was nicht das Geringste mit meinem Vater zu tun hat.«
    »Vielleicht hast du recht. Mir geht es irgendwie ähnlich«, räume ich ein. »Okay, ich bin so weit leidlich erfolgreich, aber verglichen mit meinem Vater ist das nicht so beeindruckend. Ich hätte mir auch besser eine Branche suchen sollen, die nicht so leicht zu vergleichen ist. Muss ja nicht gleich Müllabfuhr sein, aber etwas in Richtung …« Ich überlege. »Amtstierarzt beispielsweise. Oder Heißmangelbetreiberin, wäre auch eine super Idee gewesen.«
    Jetzt muss Tom grinsen. »Du weißt aber schon, dass es in einer Heißmangel ganz schön heiß wird, oder? Und ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass Bügeln eine deiner großen Leidenschaften ist.«
    »Wieso? Sehen meine Blusen zerknittert aus?« Ich drohe ihm spielerisch mit dem erhobenen Zeigefinger.
    »Nein, überhaupt nicht. Aber du hast so gar nichts von einer Frau an dir, die gerne

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