Sahnehäubchen: Roman
das Geschreibsel dieses Fred Frauenverstehers war dann in Ihren Augen gut für die Verkäufe?«, will Salchow wissen.
»Natürlich. Und das habe ich Ihnen auch schon auseinandergesetzt. Eine zu glatte Präsentation in den Social Networks ist langweilig. Nur durch die lebhafte, kontroverse Diskussion laden wir Leute dazu ein, länger auf der Seite zu bleiben.« Susanne bleibt ganz ruhig, aber ich kenne sie ja schon ein paar Jährchen und weiß, dass sie innerlich kocht. »Ich schlage also vor, dass wir uns die Ausführungen meines Mitarbeiters einfach in Ruhe anhören und wir alle Fragen dazu im Anschluss klären.«
Klasse, Susanne, gib’s ihm, möchte ich am liebsten rufen. Doch bevor ich zu dieser oder einer ähnlichen Äußerung ansetzen kann, ergreift Tom das Wort.
»Danke, Frau Becelius. Das ist nett, dass Sie für mich eine Lanze brechen. Aber ich gehe jetzt lieber. Offenbar ist es den Herren nicht recht, hier mit meinen Vorschlägen behelligt zu werden. Für mich ist das Volontariat und alles, was ich bei Ihnen und Frau Seefeld lernen darf, eine große Chance – aber für meinen Vater nur wieder eins von seinen Machtspielchen. Darunter sollte Ihre hervorragende Präsentation nun aber nicht leiden.« Dann nimmt er die Kuriertasche, die neben seinem Sitz liegt, und geht ohne ein weiteres Wort und ohne sich noch einmal umzusehen aus dem Raum. Weidner senior springt von seinem Platz auf.
»Thomas, komm sofort zurück! Was fällt dir ein? Thomas! « Er ist völlig außer sich und kann offenbar nicht fassen, dass sein dreißigjähriger Sohn beschlossen hat, sich nicht mehr wie ein Schuljunge behandeln zu lassen. Natürlich kommt Tom nicht zurück, und das freut mich wirklich. Ich fühle mich Tom gerade in innigster Solidarität verbunden. Kinder nerviger Eltern müssen doch zusammenhalten. Wobei dieser Gedanke meiner Mutter schwer unrecht tut. Sie ist anstrengend, aber bösartig ist sie nicht.
Susanne und ich sagen erst einmal nichts, und selbst Herr Salchow blickt betreten zu Boden. Nach einer gefühlten Ewigkeit räuspert er sich. »Tja, meine Damen. Ich würde vorschlagen, dass wir vielleicht da weitermachen, wo wir eben stehengeblieben sind? Ich würde sehr gerne noch Ihre Vorschläge für unser nächstes Programm hören.«
Susanne nickt, ganz die kühle Businessfrau. »Sicher. Herr Weidner junior hatte allerdings zum Thema Internetmarketing noch eine ganze Reihe erfolgversprechender und innovativer Vorschläge vorbereitet. Die finden Sie im Handout zur Präsentation, und ich möchte Sie wirklich bitten, sie sich nachher noch einmal in Ruhe anzuschauen.« Sie bückt sich und zieht zwei schmale Hefte mit Spiralbindung aus der Tasche. Weidner greift nach einem, dann steht er auf.
»Ich würde mich gerne für heute entschuldigen. Besprechen Sie doch den Rest mit Herrn Salchow, er wird mich auf dem Laufenden halten.« Er reicht über den Tisch erst Susanne die Hand, dann mir. »Und verzeihen Sie bitte den ungewöhnlichen Verlauf dieses Treffens. Es ist mir wirklich sehr unangenehm.«
»Keine Ursache.« Susanne lächelt ihn so freundlich an, als wäre nichts passiert, obwohl sie vermutlich genau wie ich gerade denkt: Recht geschieht es dir!
Nachdem dann auch der zweite Weidner den Raum verlassen hat, verbringen meine Chefin und ich die nächste halbe Stunde damit, Salchow unsere weiteren Ideen vorzustellen. Allerdings sind wir alle nicht mehr so recht bei der Sache, die Atmosphäre ist mittlerweile zäh wie Kaugummi, und als Susanne die letzte Folie aufruft, bin ich wirklich froh, dass die Veranstaltung endlich vorbei ist. Fünf weitere Minuten brauchen wir dafür, uns wortreich, aber inhaltslos zu verabschieden. Dann sind wir draußen. Puh! Geschafft.
»Was war denn das gerade für eine Vorstellung?«, fragt Susanne, als wir im Taxi sitzen. Und auch als wir wieder in der Agentur ankommen, ist sie immer noch fassungslos. Mir geht es nicht anders. »So etwas habe ich ja noch nie erlebt. Stellt seinen eigenen Sohn aber so was von in den Senkel, unglaublich!« Sie sieht mich prüfend an. »Wusstest du, dass die beiden so ein schlechtes Verhältnis haben?«
Ich schüttle den Kopf. »Natürlich nicht. Sonst hätte ich wohl kaum vorgeschlagen, dass Tom uns begleitet. Ich dachte vielmehr, es wäre eine gute Gelegenheit, Weidner senior mal zu zeigen, was er schon alles bei uns macht. Und dann das!«
»Gott, Tom tut mir wahnsinnig leid.« Susanne ist eine berechnende Geschäftsfrau, für die Befindlichkeiten
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