Saiäns-Fiktschen
beschaffe, nur
diese
Übelkeit noch zu besiegen, und da war es halt geschehn.
Der gute Bekannte half noch einmal aus; er dachte an den glänzenden Beitrag, den er dank Pavlos Information in der Auswertungsschulung geliefert hatte, und zeigte sich dankbar, und Pavlo trank. — Keine Dame, aber auch nicht mehr die Zwergin. — Dann borgte Pavlo da und dorten, trank Schnaps statt Wein und Fusel statt Schnaps, und so von Stufe zu Stufe sinkend, wertete er bald seine philosophischen Kenntnisse aus, geldbringende Dinge zu erfinden. So entdeckte er in der Zusammenschau der logistischen Zeichen für die Im- und Replikation, einem nach rechts und einem nach links weisenden Pfeil, plötzlich das Symbol des Einander-Haltens und erfand, diese Vision ins Mechanische wendend, die seit tausend Jahren vergessene Sicherheitsnadel neu. Er meldete sie mit Erfolg als Patent an; dann, um die Erfahrung reicher geworden, daß der Erlös nicht ihm, sondern der vorgesetzten Dienststelle, dem Kausalitätslabor, zufloß, realisierte er seine Erfindungen fortan allein: er produzierte Einzelstücke und vertrieb sie unter der Hand. Er erfand statt des üblichen eingebauten, auf dem Prinzip der Umwandlung von Wärme in Kälte beruhenden, aber nie funktionierenden Isolators an den Henkeln der Kochgeräte den Topflappen, der allerdings, einmal bekannt geworden, überall skrupellos nachgebaut wurde, woraus Pavlo die Erfahrung gewann, daß Erfindungen, sollten sie Bargeld abwerfen, hinreichend kompliziert zu sein hatten. So erfand er für die Meteorologen ein tragbares Schneeflockensortiergerät; er erfand die Geruchsbrille und eine Haarzählmaschine, er erfand, aber nur für den Eigenbedarf, einen automatischen Traumaufzeichner, der ihm aber wenig nützte, da er nur noch über zwei Träume verfügte: Im ersten fiel er, auf dem täglichen Weg zum Labor, in eine der zahllosen Baugruben und schimpfte, da ihm keiner heraushalf; im zweiten — aber nein, dieser Traum ist zu peinlich; brechen wir ab.
Schließlich, seinem Vorsatz im Hörsaal bei der historischen Okulardemonstration getreu, erfand Pavlo eine Methode, eine — wenngleich meist nur allerwinzigste — Spanne in die Zukunft zu blicken; die Methode beruhte auf der Ausnutzung des Antikausalitätsquotienten, doch das ist eine Geschichte für sich.
Er erfand den Pinsel neu (zum Aufkleben von Tapeten, da die Kunstleimaufpressung niemals klebte), den Salzstreuer, den Teewärmer, den Eierbecher und den Stiefel zum Zuknöpfen (fürs Gehen über Uniterrs Straßen), und er war, das Zuknöpfprinzip weitertreibend, nahe daran, auch den Reißverschluß neu zu erfinden (für die Gefährtin des Anführers der Hauptstädtischen Kontrolltrupps; er hätte dann auf Lebenszeit ausgesorgt gehabt), doch da war er schon zu sehr vom Fusel zerstört. Seine Freunde, insbesondere der Diplomneutrinologe Jirro, nannten diesen Zustand „verwalt“, abgeleitet von dem fabelhaften prähistorischen Meertier Walfisch, dessen Leib, laut Uniterrs Zoologen, fast gänzlich aus Tran bestanden haben soll, und Pavlo nahm diesen Namen an. Er trug ihn lange Zeit in Ehren, allerdings auch mit einer Pause: Da er an der Erfindung des Reißverschlusses arbeitete, gab er, für einige Wochen, das Trinken auf. In den qualvollen Tagen der Entwöhnung entsann er sich seiner alten Liebe, der Geschichte des Mittelalters, und im Genuß sekretierter Schriften schwelgend (die ihm der auf den Reißverschluß wartende Kunde erschloß), hätte Pavlo die Abstinenz vielleicht durchgehalten, wäre ihm nicht über den „Luziferischen Jahresläuften“ des Estienne Nouvielles, die er zum ersten Mal als Text statt als Einschätzung eines Textes las, jenes Duell zu Traulec 1409 in die Erinnerung gekommen: der Toul; und der Seegraf; und die ferne Dame; und dazu plötzlich die Offenbarung, daß die Wahrhaft Wahre Geschichte mit ihrer Theorie ja vollständig im Recht war: Der Toul
hatte
gesiegt und der Chronist es verschwiegen; die Geschichte
war
so verlaufen, wie die Wahrhaft Wahre Geschichte es rückwirkend ihr vorgeschrieben hatte.
Und da Pavlo solches erfuhr, überkam ihn Beklommenheit, Schwindel und Stolz; er saß (daß er keine Abschriften mache oder — die Materie behüte! — ein Blatt entwende) auf seinem fernsehüberwachten Sessel einer Sekretzelle des Sekrettrakts der Universitätsbibliothek und erinnerte sich, wie er den WISDIS beantragt, und hörte traumfern sein „Nein!“ erschallen, und da rannte er in die Kantine und warf all seine
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