Saigon - Berlin Thriller
uns an die Bordwand. Brian hatte den vorausfahrenden LKW genommen. Vier bewaffnete Jeeps eskortierten uns. Bis hierher schien die Organisation wirklich perfekt vorbereitet zu sein. Doch irgendetwas stimmte nicht. Wenn die Kisten zu unseren Füßen Medikamente enthielten, waren sicher auch Ampullen dabei. Und die waren aus Glas. Die konnten verpackt sein, wie sie wollten. Das Gerumpel und Gehoppel des Wagens konnten sie nicht überstehen. Dazu klapperte es aus einer Kiste metallisch.
»Wir transportieren doch nicht nur Medikamente?«, weckte ich Ali, dem die Stöße des Fahrgestells wohl den Trab eines Kamels vorgaukelten. Und Araber konnten im Galopp schlafen.
»Woher soll ich das wissen? Das hat Brian organisiert. Er ist der Chef hier. Du solltest nicht so viel fragen. Schlaf lieber auch.«
Ali zog sich den Helm in die Stirn und schlief weiter. Wie konnte man in der Situation nur schlafen? Mein Puls klopfte bis zum Hals. Ich klammerte mich am Dach des Fahrerhauses fest. Duckte mich, wenn Äste über den Wagen peitschten und am Heck wieder in Warteposition schwangen. Der Wald war dichter, dunkler und schwüler geworden. Brian auf dem vorausrumpelnden LKW schien sich auch hingelegt zu haben. Ich sah ihn nicht mehr. Bald würde es dunkel werden. Mit meinem Messer öffnete ich eine der Kisten. Meine Angst war größer, als die Neugier. Aber beide zusammen brachten mich um, wenn ich nicht eine von beiden besiegte oder befriedigte.
»Das hättest du besser nicht wissen sollen«, knurrte Ali, schob sich den Helm in den Nacken. Rieb sich die Augen und zündete sich eine Zigarette an. Ich schob den Deckel in seine Position zurück und drückte mit der Klinge die Nägel zurück an ihre Positionen.
»Das nennt ihr Hilfsgüter?«, fragte ich und ließ mich neben ihm nieder.
Ali nickte schwach. »Muss ich dir das jetzt erklären? Du würdest es ohnehin nicht verstehen.«
»Und wenn ich es verstehen will?«, begehrte ich auf.
»Dann kapierst du es dennoch nicht. Ich begreife es selbst nicht. Aber es ist so. Befehl ist Befehl.«
Ali rauchte weiter und zog die Knie an die Brust. Blies den Qualm in den Innenraum des Wagens. Die Äste strichen immer lauter über das Wagendach. Es wurde enger. Der LKW stoppte. Die Jeeps stoppten. Befehle ertönten.
»Nachtlager ist angesagt«, murmelte Ali und sprang vom Wagen.
Es konnte kein Feuer angezündet werden. Das würde uns verraten. Wir aßen Corned Beef aus Dosen, die wir im schwachen Schein eines Sturmfeuerzeugs mit dem Messer öffneten und dann aus dem Behälter schabten. Es schmeckte widerlich.
»Warum deklariert ihr Waffen als medizinische Hilfsgüter?«, versuchte ich von Brian eine Antwort zu bekommen.
»Junge, du nervst«, versuchte Ali die Frage abzuwimmeln.
»Und, warum nehmt ihr mich dann überhaupt mit, wenn ihr wisst, dass es mein Job als Journalist ist, zu nerven?«, kläffte ich zurück.
»Weil das ein Politikum ist«, grunzte Brian. Er hatte keine Lust zu einem Gespräch.
»Wir sind auch Journalisten«, grummelte Ali. Die Betonung hatte er auf den Zusatz gelegt. Er rollte sich auf dem feuchten, modrigen Boden zusammen und schlief sofort ein. Er schien es als ehemaliger Legionär gewohnt zu sein, in jeder Lage zu schlafen.
»Deine Frage ist berechtigt«, flüsterte Brian. »Aber wir sind nicht befugt, sie dir zu beantworten.« Er zündete uns zwei Zigaretten in der hohlen Hand an, damit die Glut kein sichtbares Licht abgab. So rauchten wir auch. Hinter vorgehaltener Hand.
»Trink das.«
In der Dunkelheit tastete ich nach seiner Hand. Mit seiner Hautfarbe war er perfekt im nächtlichen Dschungel getarnt. Es war eine Feldflasche. Ich roch daran. Whiskey.
»Die politische Situation hier ist so verfranst«, erklärte er im Flüsterton, »dass es keine andere Möglichkeit mehr gibt, sich zurückzuziehen und den Boden so mit Guerillagruppen zu verminen, dass die USA nicht das Gesicht verlieren und die sich gegenseitig so lange abschlachten, bis keiner mehr Lust auf den Kommunismus hat. Daher schleppen wir Waffen für die mit, die uns an das Kloster heranbringen sollen.«
Wir tranken und rauchten. Der Urwald erwachte zu seinem nächtlichen Konzert. Diese Nacht hörte es sich wie ein kanonischer Gesang an. Schwer, düster, aber gleichmäßig.
»Wir müssen unter allen Umständen die außer Landes bringen, mit denen uns die Congs erpressen können.«
»Oder sie mundtot machen«, fügte ich hinzu.
Brian sagte nichts dazu. Ob er nickte, war nicht zu erkennen.
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