Saigon - Berlin Thriller
er sich mit einer gewaltigen Rechnung. Den Schrein hatte ich noch mitgenommen. Das war es dann gewesen.
Das stank allerdings, wenn ich es mir so überlegte. Klaus Schikowski hatte mich nach Hause gefahren. Der Leihwagen war in der Halle geblieben. Er hatte mich durch den Fund der Hülsen abgelenkt und geschockt. Ich war froh, keine weiteren Fragen mehr beantworten zu müssen. Die Fotos der Grenzübergänge hatten mich gefügig gemacht.
Ich sortierte meine Post nach Dringlichkeit. Etwas anderes konnte ich hier nicht machen, am Dreikönigstag. Ich war schließlich kein Lokalredakteur.
Zwei blaue Umschläge fielen mir sofort auf. Sie dufteten nach Zimt. Leserbriefe meiner Nachbarin. Wie sie es schaffte, ihre Briefe mit Duft zu markieren, war mir ein Rätsel. Aber sie verstand es, sich sofort wie ein Hund bemerkbar zu machen. Ablage. Zur weiteren Bearbeitung. Danach war mir nun wirklich nicht, mich mit den vermeintlichen Beobachtungen einer alten Dame zu beschäftigen.
Ein Umschlag stach heraus. Der Poststempel war überraschend deutlich. Am 26.12. 89 in Berlin-Kreuzberg abgeschickt. Die Briefmarken waren ostdeutsch. Vor zehn Tagen aufgegeben. Sollten die Postwege zwischen Ost und West plötzlich so reibungslos funktionieren, wie es die Politiker nicht taten? Das war unwahrscheinlich. Meine Ahnung sagte mir, dass dieses Kuvert zwar nicht duftete, aber sein Inhalt nur stinken konnte.
Meine Ahnung hatte mich nicht getäuscht. Der Inhalt stank wirklich ... nach Vietnam und Kloake.
»Du machst ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Was kann ich für dich tun?«
Mein Stammwirt sah mich prüfend an.
»Einen laufenden Meter Kölsch. Eine Flasche Bourbon und ein dickes Steak mit Bratkartoffeln.«
»Das hört sich schon mal nach Frust an. Aber hast du in ein paar Minuten«, meinte der rotbäckige Mann grinsend. »War deine letzte Reise nicht so doll?«
Nein, die war absolut nicht toll. Das Kuvert hatte ich eingesteckt und grußlos den Verlag verlassen. Meine Vergangenheit hatte mich eingeholt. Aber es war eine gefälschte Vergangenheit. Die Ur-Dokumente mochten zwar echt sein, aber die Ausstellungsdaten konnten nicht stimmen. Die waren nachträglich mit Schreibmaschine eingetragen worden. Und ich hielt nur miese Fotokopien in den Händen. Einfach zwei Kopien ohne Kommentar eines Absenders. Aber die waren gefährlich genug, wenn davon Originale vorhanden waren. Sie konnten mich die Existenz kosten. Wer war der Absender? Was bezweckte er damit, mich an einen Blackout in der Kloake des Lagers in Kambodscha zu erinnern? Ich hatte das Dokument wirklich unterschrieben, das mir damals von Major Minsky vorgelegt worden war. Ich hatte es vergessen und verdrängt, nur um nicht noch ein paar Tage leiden zu müssen.
Demnach war ich seit Dezember 1969 als Mitarbeiter der Stasi in Diensten. Unterschrieben haben konnte ich aber erst 1970. Während meines Lageraufenthalts. Mein Deckname war »Großer Drache«. Ich las die Kopie der Akte weiter.
Stärken: Nun folgten meine Einsätze in allen von 1968 und 1974 geführten Kriegen. Bürgerkriege, über Jom Kippur, Irland und was es noch für Streitigkeiten auf der Welt gegeben hatte. Meine Aufenthalte in Japan und Russland.
Schwächen: Sehr eigenwillig. Schwer zu handhaben. Affinität zur asiatischen Kultur. Buddhistisch verheiratet, eine Tochter aus Vietnam.
Mögliches Einsatzgebiet: Bereich deutsche Außenpolitik in Bezug auf die Deutsche Demokratische Republik und die Sowjetrepublik.
Sprachen: Deutsch. Vietnamesisch. Spanisch. Englisch. Französisch. Russisch. Mehrere asiatische Dialekte.
Empfehlung: Eine seiner Frauen in die Deutsche Demokratische Republik holen. Dann ist er womöglich gewillt, uns die nötigen Informationen über die Drahtzieher im Westen zu beschaffen. Käuflich ist er nicht. Es hilft nur familiärer Druck. Also zuverlässig und billig.
Betreuer: Ewald Steiger. Hauptwachtmeister und degradierter Hauptmann der NVA. Ein zuverlässiger Genosse, der sich wieder hocharbeiten will.
Ich las nicht weiter. Die wussten alles von mir. Geburtsdatum. Wohnort. Meine Lieblingsgetränke. Meine Autonummer. Und die war die neueste. Ich hatte in den Jahren mehrfach die Marke gewechselt. Die Akte konnte noch nicht alt sein. Was bezweckte wer damit? Ewald Steiger, den gutmütigen Grenztrottel, als meinen Betreuer anzugeben, war schon eine Frechheit, hinter der sich ein böses Spiel verbarg. Oder verbarg sich ganz etwas anderes dahinter?
Und ich hatte mich im Lager unter dem
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