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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe
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importierte.
    »Genau das wollen die. Die wollen, dass du alles auffliegen lässt.«
    Ewalds korngetränkten Augen sahen mich ungläubig an.
    »Ich gebe doch meinem Feind keine Argumente in die Hand. Sind das alles Selbstmörder? Verstehe ich nicht. Ich glaube, ich gehe jetzt mal ins Bett.« Mühsam, sehr mühsam stemmte er sich vom Küchentisch hoch.
    »Das soll einer verstehen. Nach welchem Prinzip denken denn diese Menschen?« Er stolperte rückwärts und fing sich am Herd.
    »Wenn du deinen Feind besiegen willst, dann hilf ihm gegen seine Feinde.«
    Mehr sagte ich jetzt besser nicht mehr. Es wurde Zeit, diesen langen Tag unter dem Mantel des Schlafs zu begraben.
    »So ein Schwachsinn«, knurrte Ewald. »Meinem Feind zu helfen, um noch einen Feind zu besiegen? Hier ist der Schlüssel zur Mansarde. Vierter Stock. Gleich rechts. Gute Nacht. Für Frühstück musst du schon selbst sorgen. Bin kein Hotel. Aber die Kneipe hat ab neun Uhr auf. Da gibt's was.«
 
    Vierter Stock. Da wohnte ich in der Kölner Südstadt auch schon seit Jahren. Nur solch ein Treppenhaus würde bei mir zur Mietminderung führen. Hier war bestimmt seit hundert Jahren nichts mehr gemacht worden. Die Bombenteppiche der letzten Kriegstage hatte dieses Haus mehr zufällig überstanden. Die Risse in den Wänden wirkten schon wie Jahresringe. Alles roch muffig und hatte Schimmel angesetzt. Vielleicht waren es diese Sporen, die alles noch zusammenhielten. Sie umklammerten sich gegenseitig, um nicht in die Kälte da draußen zu stürzen. Dort waren sie unwiederbringlich verloren. Ein reiner Überlebenskampf von drinnen gegen draußen.
    Vorsichtig, als könne ich jemand stören, schloss ich die Tür auf und suchte einen Lichtschalter. Da war keiner, den ich kannte. Es war einer, bei dem man noch einen Knebel drehen musste. Das war ein Fabrikat aus dem 19. Jahrhundert.
    Außer einer gusseisernen Heizung, die vor sich hingluckste und keine Wärme abgab, störte mich sofort eins: Hier war Opium geraucht worden. Die Utensilien lagen auf einem kleinen Rattantisch neben einer Matratze auf dem Boden. Meine Tochter rauchte Opium. Das war also der Seitenhieb dieses unsichtbaren Betreibers des Sans Soucis gewesen. Er hatte sie mit dem Zeug in der Hand.
    Ich sah mich in dem kleinen Raum weiter um. Ewald hatte recht. Sauber war es. Überall Regale, wie sie Studenten bevorzugten. Billig zu beschaffen. Leicht zu transportieren und aufzubauen. Und eine Truhe. Wie The-Maria die von Vietnam hierherbekommen hatte, war mir ein Rätsel. Es war die Truhe ihrer Mutter. Reich mit Szenen aus der Mythologie versehen. Unterglasurmalerei. Drachen. Bäume. Vögel und viele Blumen. Fachleute nannten es Chinalack. Es war der Altar, den gläubige Buddhisten als einziges Möbel dauerhaft mit sich herumschleppten. Er wurde von einer Generation auf die andere vererbt. Hier ruhte der Mittelpunkt der Erinnerung an die Familie. In einem kleinen Möbelstück. Gespickt mit Kerzenhaltern und Fotorahmen.
    Warum hatte eine Zwanzigjährige dieses Vermächtnis? Es stand ihr noch nicht zu. Nur, wenn das letzte direkte Familienmitglied nicht mehr lebte ...
    »Tief durchatmen, Peter.« Ich ließ mich in den einzigen Stuhl im Zimmer fallen. Sollte ich auch eine Pfeife probieren? Rohmaterial dazu lag genug in der Küche herum. Aber vier Stockwerke? Nein. Dazu hatte ich keine Lust mehr. Der Tag reichte mir.
    The-Maria war seit zwei Jahren in der DDR. Und sie hatte damals schon den Familienschrein dabeigehabt. Anders war das nicht möglich. Die Behörden ließen für Studenten nur das herein, was sie sofort und als persönliche Gegenstände deklarieren konnten.
    Demnach musste ihre Mutter tot sein. Die Frau, die The-Maria geboren und mir das Leben gerettet hatte.
    Ich besah mir die Fotos. Sie hatten alle einen silbernen Klapprahmen. Die Großeltern von The-Maria. Ob mütterlicher- oder väterlicherseits, hatte ich nie herausfinden können.
    Die Mutter ... Kleiner Drache ... und ich.
    Es war ein seltsames Gefühl, mein eigenes Konterfei in der Hand zu halten. Ich nahm das Foto aus dem Rahmen. Drehte es um. Es war ein sehr altes Bild. »Silvester 1968« hatte jemand auf die Rückseite gekritzelt. Der Hintergrund wies langsam Stockflecken auf. Das Fotopapier würde mich nicht mehr überleben. Es war durch die Jahrzehnte und eine schlechte Fixation hart an die Grenze seines Daseins geraten. Und ich? War ich auch bald so weit? War dieses zerbröckelnde Papier direkt mit meinem Leben verbunden?
    Mit dem Foto

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