Saigon - Berlin Thriller
ich dir auch raten. Möglichst wenig Haare am Körper. Die Sackratten der Vietcong lieben unser Blut und unsere Urwälder im Gesicht und in der Hose. Und das DDT-Pulver stinkt abscheulich.« Er lachte und schabte weiter um sein bestes Stück. Trieb mich zur Eile an.
»Die Haare auf dem Kopf schneidet dir gleich Chi. Dann muss ich mit dir reden.«
Klaus saß auf der Bettkante und brutzelte Spiegeleier über einem Gaskocher. Chi stutzte mein Kopfhaar. Auf Anweisung von Klaus. Um die Haare unten, an meinem besten Stück, wollte ich mich beim nächsten Bad doch besser selbst kümmern.
»Hör zu, du Greenhorn«, mümmelte Klaus mit vollem Mund. »Du hast eine Woche zu lang gebraucht, um mich abzulösen. Das kann Chi das Leben kosten.«
Ja, ich hatte eine Woche zu lange gebraucht, um nach Saigon zu kommen. Aber der Transfer des Kreditbriefes für mich hatte alles verzögert. Und ohne Geld war ich auf Hawaii hängen geblieben. Aber es hatte keinen Sinn, diesem Haudegen etwas zu erklären. Also zuckte ich nur entschuldigend die Schultern.
»Du hättest dieses Zimmer übernehmen sollen.« Er grinste und warf Chi einen Kuss zu. »Natürlich ohne Inhalt. Den musst du dir schon selbst suchen. Sonst kannst du noch nicht einmal aufs Klo. Hier bestimmen die Weiber, wer was wann und wo darf.«
Mein Seesack war gepackt und ordentlich geschnürt. Die Kampfuniform des Mannes, der in seinem Zimmer klebte, war gebügelt und hing am Schrank. Meine Schuhe waren geputzt.
»Merkst du was?« Klaus nahm einen großen Schluck Whiskey aus der Flasche. Es war fünf Uhr morgens. »In diesem Hotel leben zweihundertfünfzig Journalisten. Kapierst du, was das für eine Logistik ist?«
Chi schnitt weiter auf meinem Kopf herum. Den Haarresten auf dem Boden nach konnte da nicht mehr viel übrig geblieben sein.
»Jede Etage hat nur zwei Toiletten und zwei Bäder. Jedes an einem Ende. Die Erbauer müssen die größten Schweine der Welt gewesen sein. Bettpfannen-Klassizismus. Man kann es auch noch schlimmer ausdrücken. Aber egal. Demnach müssen sich 250 Leute vierundzwanzig Toiletten und Bäder teilen.«
Chi wischte mir den Kopf ab, hielt mir einen Spiegel vor. Der war leer. Da war kein Haar mehr auf meinem Kopf. Klaus grinste noch nicht einmal. »Wächst schon nach«, knurrte er.
»Chi ist nach vietnamesischem Recht meine Frau. Und sie wird mich nach Deutschland begleiten. Nur ist durch deine Verspätung ihr Ausreisevisum verfallen. Kapierst du das?«
Wie sollte ich das begreifen. Ich verstand noch nicht einmal, warum ich überhaupt hier war. Klaus schüttelte den Kopf und stopfte sein Hemd in die Hose.
»Na schön. Nicht zu ändern. Ich muss weg. Chi wird sich um 'ne Frau für dich kümmern. Sonst kannst du in den Garten scheißen und im Springbrunnen baden.«
Klaus schulterte seinen Kamerabeutel. Hängte das, was man noch landläufig als Stahlhelm bezeichnete, über den Knauf seines etwas groß geratenen Messers am Koppel. Er gab Chi einen flüchtigen Kuss.
»Sieh zu, dass du spätestens heute ein neues Zimmer und übermorgen 'ne Frau hast. Sonst ...« Mehr sagte er nicht.
Chi lächelte etwas. Hatte das mit dem Abgang von Klaus zu tun? Ich saß auf meinem Seesack und versuchte meine Situation und die unverhohlenen Drohungen meines Kollegen in irgendein für mich passendes Schema einzusortieren.
»Was sollte das, Chi?«
Sie zuckte mit den Schultern und lächelte. »Er bezahlt. Er befiehlt. Und ich bin zufrieden. Können wir eine Frau für dich suchen gehen?«
Irgendetwas schien hier an meinem Verständnis vorbeizugehen. Ich kratzte mich an der oberen Stelle, an der mal Haare gewesen waren. In Europa gingen die Studenten auf die Straße. Die Mao-Bibel war ihr neues Gebetbuch, Ho Chi Minh der neue Gott. Beide waren, wie alle Götter, weit weg. Aus der Distanz war es leichter, ihre Ideen misszuverstehen. Die Frauen versuchten sich in und durch die APO zu emanzipieren, und hier waren sie zufrieden, wenn sie bezahlt wurden. Es schien selbstverständlich zu sein, dass es so und nicht anders war. Offensichtlich war es eine höhere Bildungsstufe, eine Langnase als Versorger zu ergattern.
»Ich weiß, was du denkst«, sagte Chi und setzte sich neben mich auf den Boden. »Ich war Studentin für Englisch und Geschichte. Bis unser Vater von den Vietcong als Verräter hingerichtet wurde.« Sie faltete ihre Beine zum Lotussitz. Wie das jemans aushalten konnte, würde ich noch lernen müssen.
»Mein Vater war ein hoher Parteifunktionär und
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