Saigon - Berlin Thriller
Ich kaute und trank ebenfalls.
»Ja und?«, äffte er mich mit vollem Mund nach. »Entweder die schmuggeln Mercedes-Limousinen oder deren Inhalt. Auf jeden Fall haben heute noch zwei weitere, absolut gleiche, grünmetallic S-Klassen an zwei weiteren Übergängen die Grenze in Richtung Osten passiert. Einer davon ohne Stern und mit intakter Niveauregulierung.«
»Ja und? Ist eben deutsche Wertarbeit. Sagte ich doch.«
Ewald lachte mit vollem Mund. »Du willst mich immer noch für dumm verkaufen. Das mag ich nicht. Auch wenn ich nur ein dummer Ossi für euch bin. Also, soll ich dir helfen oder nicht? Denk an deine Tochter.«
Ich dachte an nichts anderes.
»Also. Auf was bist du gekommen?«
Ewald leckte sich die Finger und rülpste.
»Die probieren mit mehreren gleichen Fahrzeugen aus, wo die westdeutschen Kontrollen am schwächsten sind.« Er grinste, als habe er eine Schlacht gewonnen. »Daher haben meine Kollegen die beiden einreisenden Wagen mal sehr genau unter die Lupe genommen. Wir haben alles auseinandergenommen ... aber nichts gefunden.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Was wolltet ihr denn finden?«
Ewald lachte lauthals. Schnäuzte sich und bestellte nach.
»Ich habe falsch gedacht. Die kontrollieren die Sicherheitsmaßnahmen in beiden Richtungen. Rüber die Ware, zurück den Gegenwert. Und der kann nur in Devisen bestehen. Kostbare westliche Devisen. Denn Rubel und Ostmark sind nicht mehr das Papier wert, auf dem es gedruckt wird. Aber das Rauschgift bekommen sie noch nahezu unkontrolliert über unsere Ostgrenzen. Und das sehr billig. Noch. Wer immer die sind, sie müssen jetzt schnell handeln, bevor sich hier alles konsolidiert. Verstehst du?«
Bevor ich diese Konstellation durchdenken konnte, wurde es schlagartig ruhig im Lokal.
»Sie hätten besser meine Einladung angenommen. Die Buletten hier taugen nichts. Darf ich bitten?«
Ewald nickte dem Mann in Uniform mit Pistolenhalfter zu. Zwei Volkspolizisten schirmten unseren Tisch zusätzlich ab.
»Herr Stösser, darf ich um Ihren Autoschlüssel bitten?«
Ewald nickte mir zu. »Du kennst ja Jupp. Gib ihm einfach den Schlüssel. Du bekommst den Wagen zurück. Wir müssen nur nachsehen, was drin ist.«
Das kam zu überraschend für mich. Einen Moment atmete ich tief die miefige Luft in der Kneipe ein. Die Kommunikation zwischen den Schergen schien ungebrochen zu sein. Jeder wusste über jeden und von jedem alles.
»Und wenn nicht?« Jetzt wollte ich wissen, wer wo stand. Dass ich mich auf einem autonomen Staatsgebiet befand, zumindest nach DDR-Auffassung, war mir klar. Aber wo stand Ewald?
Der zog die Stirn in Falten, als habe er meinen Widerstand geahnt. Lächelte leicht und wedelte mit der Hand.
»Verschwindet. Ihr macht den ganzen Umsatz von Mollie kaputt. Wartet draußen und passt auf den Wagen auf. Ich rede mit Herrn Stösser.«
Die drei Uniformierten zogen sich widerspruchslos zurück. Welche Befugnisse hatte Ewald, einen ranggleichen Kollegen vor die Tür zu scheuchen?
»Mach jetzt bitte keine Schwierigkeiten«, sagte er und beugte sich über den Tisch. Er flüsterte. Der Lärm in der Kneipe stieg wieder auf den alten Pegel. »Ich weiß, dass es dir um deine Tochter geht. Und der Tod meiner Tochter scheint damit im direkten Zusammenhang zu stehen. Aber ...« Er zündete sich die x-te Zigarette an. »Aber wir kommen so nicht an die Hintermänner ran. Wir müssen sie über ihre Lieferungen schnappen. Sonst können wir es vergessen. Die werden von allen möglichen Parteibonzen gedeckt, die von ihnen bestochen werden.«
»Die Ratten verlassen das sinkende Schiff?«
Ewald nickte. »Ja und kassieren mithilfe der Mafia noch ordentlich ab. Also, entweder ich bekomme den Autoschlüssel jetzt freiwillig, oder der Wagen wird abgeschleppt und du verschwindest für ein paar Tage hinter Gittern.«
Es war zwecklos, weiter Widerstand zu leisten und mir Ewalds Wohlwollen zu verscherzen. Er war und blieb Beamter.
Mollie brachte den draußen wartenden Uniformierten den Schlüssel auf einem Tablett. Mit einer Flasche Korn. Und kam grinsend zurück. »Scheißwetter. Es schneit schon wieder. So kann der liebe Gott mal wieder alle Spuren verwischen. Ist wohl auch gut so. Eine Runde aufs Haus.«
Ewald legte einen Zwanziger Ost auf den Tisch. Ich legte einen Zwanziger West dazu. Er schüttelte den Kopf. »Ihr Westler müsst noch viel lernen. Nimm dein Geld. Du bist mein Gast. Sonst beleidigst du mich. Es geht hier nicht um Geld. Es geht um unsere
Weitere Kostenlose Bücher