Sakrament der Lust
fortfährt. «Aber wie würde es dir gefallen, wenn ich die Schlampe hier täglich durchficke oder sie zusammen mit ihrer niedlichen Tochter in meinem Etablissement unterbringe?»
Die Farbe aus Julians Gesicht verschwindet augenblicklich und er senkt den Kopf. Beide Männer stehen sich schweigend gegenüber.
«Du hast gewonnen, Nail! Ich werde dir das Geld beschaffen!», sagt Julian kleinlaut.
Doch dann geht alles ganz schnell. Mit einem gezielten Schlag seines linken Armes schlägt Julian die Waffe weg, um dem Mann, der in der ersten Schrecksekunde zusammenzuckt, kräftig in den Bauch zu boxen, so dass er sich vor Schmerzen krümmt. Ich will schon aufatmen, als Nail plötzlich mit ausgestrecktem Bein eine Drehung vollzieht, Julian an den Knien erwischt und zu Boden wirft. Er will sich auf ihn werfen, aber Julian dreht sich abrupt zur Seite, so dass Nail neben ihm landet, sich geschickt abrollt und zwei Meter weiter vorne zum Stehen kommt. Mit einem Satz steht auch Julian wieder auf den Füßen. Ich klammere mich angsterfüllt am Türrahmen fest. Am liebsten würde ich wegsehen, weil ich die Aufregung und Angst um Julian nicht aushalte, aber gleichzeitig kann ich unmöglich zulassen, nicht mitzubekommen, wie es Julian ergeht. Ich muss ihm helfen! Als sich die beiden Kampfhähne wieder gegenüberstehen, gehe ich einen Schritt auf sie zu. Nail zückt im selben Moment ein Messer.
«Geh ins Haus zurück, Jana!», schreit Julian, der mich aus den Augenwinkeln kommen sieht.
Ich bleibe wie versteinert stehen. Nail sticht auf Julian ein, doch dieser weicht geschickt aus. Auch ein zweiter Hieb geht daneben. In dieser Sekunde holt Julian aus und verpasst Nail einen so kräftigen Kinnhaken, dass er durch die Luft fliegt und rücklings gegen die Natursteinmauer meines Gartens prallt. Sein Kopf schlägt dabei gegen das metallene Scharnier der Gartentür. Er sackt zu Boden, seine Augen sind leer und Blut quillt unter seinem Kopf hervor. Julian und ich starren bewegungslos auf den Mann am Boden. So stehen wir einige Sekunden, die mir wie Stunden erscheinen, bis Julian als erster wieder zu sich kommt. Er sieht mich an. Ich kann so vieles in seinen Augen lesen – Horror wegen der vergangenen Szenen, Erschöpfung vom Kampf, Erleichterung, dass es vorbei ist, Angst, dass Nail mir etwas angetan haben könnte, Freude, mich wiederzusehen. Aber er nimmt mich nicht in den Arm, sondern geht zu dem Mann in meinem Vorgarten, fühlt an der Halsschlagader nach seinem Puls und schüttelt den Kopf.
«Ich kann nichts spüren, aber wir müssen dennoch einen Krankenwagen rufen!», sagt Julian. «Schaffst du das, Jana? Ich werde erste Hilfe leisten, für den Fall, dass er doch noch lebt.»
Ich nicke langsam und gehe dann ins Haus zurück, um den Notarzt zu benachrichtigen. Ich erledige alles wie ferngesteuert und automatisch, dann kehre ich zu Julian in den Vorgarten zurück. Er kniet neben dem Mann, bearbeitet mit der Herz-Lungenmassage seinen Brustkorb und spricht gleichzeitig Gebete für ihn. Ich schüttele den Kopf. So weit geht meine Nächstenliebe nun wirklich nicht. Ich kann einfach kein Mitgefühl für diesen Mann aufbringen, der gedroht hat, mich zu vergewaltigen, umzubringen und meine Tochter in sein Etablissement zu entführen – was immer das zu bedeuten hat. Nach nur wenigen Minuten braust ein Krankenwagen mit Blaulicht heran und komm direkt vor meiner Gartenpforte zum Stehen. Auch ein Polizeiauto hält dahinter. Zwei Sanitäter und ein Arzt springen heraus und laufen sofort zu dem Mann am Boden. Der Arzt untersucht ihn, aber schon nach kurzer Zeit ist klar, dass er tot ist. Ich verfolge alles wie durch einen dichten Nebel. Einer der beiden Polizisten kommt auf uns zu. Er spricht zunächst mit Julian und dieser erklärt, was sich zugetragen hat. Auch ich werde verhört - von einer Polizistin. Es fällt mir sehr schwer, über alles zu sprechen, denn am liebsten will ich niemals mehr an diesen grausamen Menschen und den Vorfall denken. Ein weiteres Auto fährt plötzlich vor und die Sanitäter helfen dem Fahrer dabei, den Toten in einen Sack zu legen. Der andere Sanitäter zieht den Reißverschluss über dem leblosen Körper zu und dann verfrachten die Männer den Toten auf einer Bare in den Wagen. Ich fühle mich wie in einem Film und es fällt mir schwer, das Geschehen als Wirklichkeit einzustufen. Endlich wird es wieder leer in meinem Vorgarten. Nur das viele Blut auf den Natursteinen erinnert noch an den Kampf. Julian
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