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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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der Versenkung. Sie hatte Ottakring gebeugten Hauptes umrundet.
    Also tatsächlich Fernzündung. Eine Sekunde lang erwog Ottakring die
Möglichkeit, dass das, was er umhatte, ein Dummy war, eine Nullnummer, eine
Attrappe. Doch selbst wenn, wie hätte er es erkennen sollen?
    Zeit zu überlegen, was draußen im Geschäft vorging, ob es Tote oder
Verletzte oder nur Fußkranke gab, hatte er nicht.
    »Wie hoch werden eure Tageseinnahmen sein?«, fragte er die Gachinger
Gretel neben ihm, die völlig aufgelöste Inhaberin.
    Da fiel sie in einen weiteren Weinkrampf und stammelte etwas
Unverständliches. Doch die Zahl Zwanzigtausend hörte er heraus. Sie prägte sich
ihm ein. Wegen zwanzigtausend Euro so ein Aufwand? So ein Risiko? So ein
Nervenspiel? Die mussten es bitter nötig haben.
    Etwas machte sich an der Werkstatttür zu schaffen. Dann wurde sie so
sperrangelweit aufgestoßen, dass Ottakring sich ducken musste, um sie nicht um
die Ohren zu bekommen.
    Wenig später Sirenengeheul. Die Polizei war da. Sehr zur Freude von
Kriminalrat a. D. Josef »Joe« Ottakring. Das hatte er sich immer schon
gewünscht, dass Kollegen ihn von Handschellen befreien mussten. Allen voran
Rico Stahl, sein Nachfolger im Polizeipräsidium. Der ließ sich zwar nichts
anmerken, doch Ottakring konnte sich gut vorstellen, was in ihm vorging.
    Auch das hatte er sich immer schon gewünscht.

FÜNF
    »… sechsunddreißigtausendvierhundertfünfundzwanzig,
sechsunddreißigtausendvierhundertdreißig,
sechsunddreißigtausendvierhundertfünfunddreißig … so, das war’s! Das gehört
jetzt alles dir! Dein Geld!« Hadi machte ein erfreutes Gesicht, das aber auch
Fragen offenließ.
    So viel Geld hatte Artur noch nie auf einem Haufen gesehen. Er
strahlte vor Glück. »Ich bin glücklich«, sagte er zaghaft.
    »Ja, ja, dies ist der Moment, in dem dein Unglück fürs Erste
aufhört«, sprach Hadi. »Und je größer dein Unglück war, desto größer ist jetzt
dein Glück.«
    Artur brauchte eine ziemliche Weile, das zu verstehen, dann nickte
er. »So viel Geld auf einem Haufen.« Er war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
    »Ich werde das Geld verwalten«, bot sich Werner an. Wie
selbstverständlich fuchtelte er mit seiner Käsesemmel in der Luft herum.
    »Genau«, sagte Hadi hinter vorgehaltener Hand. »Wir müssen darauf
achten, dass es nicht nur kurz in seiner Tasche haltmacht. Die Versuchung wäre
zu groß.« Er hatte sich an den warmen Kamin in Werners Gartenhaus gelehnt und
bröselte den Rest seiner Wurstsemmel gedankenverloren in die Glut.
    Der Raum war eine Ausgeburt an Purismus. Der Kamin, eine weiße
Ikea-Couch, ein hellblauer Kunststoffstuhl aus einem x-beliebigen Seminarraum,
ein ausgedientes Stehpult aus König Ludwigs Raritätensammlung, ein Ohrensessel
mit Leopardenmuster, eine Stehlampe mit Fliegenschiss auf dem
Schweinslederschirm – das war alles. Dazu verbreitete die nackte Glühbirne, die
von der Decke baumelte, die Gemütlichkeit des Abtritts in einem
Wildwest-Saloon. Seitlich unter der Glühbirne stand ein Grill, darüber war eine
Dunstabzugshaube. Es war ein gusseiserner Holzkohlengrill für vier bis sechs
Personen. Eine dumme Angewohnheit aus seiner Samerberger Zeit, als zu Hause
noch am offenen Herd im Zimmer gekocht und gebrutzelt wurde. Was fehlte zu
dieser Jahreszeit, war ein geschmückter Weihnachtsbaum. Doch der wäre hier so
fehl am Platz gewesen wie ein Bayer auf Rügen.
    »Unsere Premiere ist gut gelaufen«, fuhr Hadi halblaut fort. Seine
Gesichtsfarbe schwankte im Schein des Feuers zwischen schneeweißlich und
blutrötlich. »Erstaunlich fehlerlos. Hat’s euch Spaß gemacht?«
    Ein Blick auf die Überfallkollegen genügte.
    Na ja, hieß das.
    Sie stießen mit Weißbier an. Mit dem unteren Rand des
trichterförmigen Weißbierglases, so wie’s Sitte war. Jeder war froh. Artur,
dass er zu Geld gekommen war, Werner, weil er Stoff für seinen Roman hatte, und
Hadi, weil er endlich einmal einen Krimi in die Tat umsetzen konnte. Für diesen
Sonderfall ohne Leiche.
    »Ein Zusammentreffen von günstiger Gelegenheit, exzellenter
Vorbereitung und guten Nerven«, brachte Werner es auf den Punkt. »Vielleicht
ein Abfallprodukt des Strebens nach Vollendung.«
    Hadi ließ einen anerkennenden Pfiff los und visierte die Glühbirne
an.
    »Sakramentisch guat!«, rief Artur voller Bewunderung aus.
    Als Anwalt war Werner rasch von Begriff, konnte eins und eins
zusammenzählen und das Ergebnis mit vorwurfsvollem Gesicht wiedergeben. Er

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