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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Längst hatten
sie die Berge hinter sich gelassen. Der Mond stand tief und warf lange Schatten
über weiße Schneefelder. Es war nicht mehr glatt, die Temperatur war offenbar
gestiegen.
    Als sie bei Berbling – dem Ort mit der barocken Leibl-Kirche – auf
einer langen Geraden nordwärts fuhren, begann Artur zu stöhnen.
    »Was ist?«
    Artur legte den Leerlauf ein und ließ den Wagen ausrollen. Er
schnaufte tief, als ob er Atem schöpfte.
    »Hrrrmmpfff!«
    Er schnaufte und schniefte und lief so rot an, dass es beinahe schon
ins Violette überging. Sein Kopf sackte Richtung Lenkrad.
    »Um Gottes willen!«, rief Werner. »Fahr wenigstens rechts ran.«
    Langsam, mit einem letzten Keuchen, hielt der Wagen an.
    Werner rannte ums Auto und riss die Fahrertür auf. »Brauchst du
etwas? Deine Medizin?«, rief er. »Tabletten?«, verbesserte er sich.
    Doch Artur schien ihn nicht zu hören.
    Werner warf einen Blick auf sein Leuchtziffernblatt. In
fünfundzwanzig Minuten sollten sie am Ziel sein. Hadi verließ sich auf sie.
Sollte er ihn ansimsen und das Problem schildern? Er verwarf den Gedanken. Es
würde ihn nur nervös machen.
    Artur rührte sich kaum, als er ihn auf den Beifahrersitz zu schieben
versuchte. Eigenhändig musste er das Bein über die Handbremse lupfen und den
Spezl unsanft auf den Sitz pressen. Er konnte nicht beurteilen, ob Artur
ohnmächtig war, kurz davor stand oder erst später werden würde.
    Werner wurde schlecht. Er dachte an Erbrechen. Nur Zeitdruck und
Erfolgszwang hielten ihn davon ab. Mit Erbrechen war’s wie mit diesem
Überfalljob. Schön, wenn’s vorbei war. Ein eiskalter Schauer ratterte ihm den
Rücken hinunter. Lief denn alles bei ihnen schief, verdammt? Er konnte nur
hoffen, dass Hadi mehr Erfolg hatte.
    Sie waren da. Vier von sieben Italienern schliefen. Das sah
putzig aus mit ihren Masken. Hadi war hellwach. Seine Augen funkelten durch die
Schlitze des Mädchengesichts.
    Der Opel hielt wie vorgesehen am Rand der kleinen geteerten
Nebenstraße, die kurz vorm Golfplatz in den Maxlrainer Forst führte.
    »Also, bitte steigen Sie aus, Herr Lehmann«, rief der Fahrer nach
hinten. Er sah über die Schulter zurück.
    Die drei wachen Italiener johlten.
    »Morge komme wieder. Grosse Oktoberfeste.«
    In dem ganzen Tumult war es Hadi gelungen, sich grüne
Latexhandschuhe überzustreifen, seinem schlafenden Nachbarn den
Sprengstoffgürtel um den Leib zu binden und die Jacke wieder drüberzuzerren.
Nach menschlichem Ermessen hatte der nichts gemerkt.
    Jetzt stemmte er für alle, die wach oder Fahrer waren, die
Handgranate empor und schnitt eine furchterregende Grimasse. Er hatte
vergessen, dass er eine Gesichtsmaske trug.
    »Fahren Sie in den Wald!«, befahl er dem Fahrer. Dieser war der
Einzige, der begriffen hatte. »Ich mache ernst. Das Ding geht los, wenn Sie
nicht spuren. Also fahren Sie! Links, jetzt links! Ja, genau. Da hinein.«
    Seine eigene Stimme war ihm fremd. Sie klang, als stünde er
außerhalb seines Körpers.
    Hadi musste darauf vertrauen, dass Artur und Werner mit dem
Fluchtauto zur Stelle waren. Längst schon hätte er eine SMS von Werner erhalten sollen. Doch da war keine Nachricht auf Hadis Handy.
Typisch war das nicht für Werner.
    Hadi spürte Hitzewallungen aufsteigen. Stand er nun etwa allein da?
Es wäre ein Ding der Unmöglichkeit, die Mission allein zu stemmen. Er hätte ein
Polyp mit achtzehn Armen sein müssen.
    »Motor abstellen! Licht aus. Innenlicht an!« Hadi senkte die Stimme
und bemühte sich wie ein Sheriff im Western um eine furchterregende Tonart.
    Draußen wurde es erschreckend leise und dunkel. Innen aber taghell.
    Alle maskierten Italienermädels waren aufgewacht. Sie sahen einen
verrückten Bayern, der aussah wie sie und der mit einer bomba
a mano krampfhaft in der Luft herumfuchtelte. Was wollte er?
    »Ähe … ähä … ähi …«, kam ein unsicheres Lachen aus einer der
Mädchenmasken.
    »Passt auf«, schrie der Fahrer, dem alles Blut aus dem Gesicht
gewichen war. »Der ist zu allem bereit. Wir fliegen sonst alle in die Luft!«
Seine Stimme war so hoch und schrill, dass sie kippte.
    Entweder die Besatzung verstand den Mann nicht oder sie nahmen ihn
nicht ernst. Sie riefen durch ihre Maskenmünder wild durcheinander, redeten mit
Händen und Füßen, blieben aber sitzen.
    Hadi, der immer noch den Arm mit der Attrappe erhoben hatte wie die
Freiheitsstatue in Lauerstellung, verstand unter all dem Unverständlichen so
etwas wie tschokaloto. Wollten sie

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