Sakramentisch (German Edition)
Zuerst
stakste er vorsichtig auf Zehenspitzen am Pfützenwasser vorbei. Dann nahm er
die Beine unter die Arme und spurtete so schnell er in seinem Zustand konnte zu
den anderen.
Er selbst sah nicht, wie hinter ihm unter lautem Zischen die riesige
Stichflamme in die Höhe schoss. Blechteile wirbelten durch die Luft, es heulte,
quietschte und krachte. Die Sprengung des Fiesta war ein besonderes Spektakel
und hätte mehr Zuschauer verdient gehabt als nur die drei. Sie alle wären
geblendet gewesen.
»Daschauherdasfuocomaledettoinfernalespuracaputto«, schrie Hadi voll
Übermut hinaus, als er auf dem Beifahrersitz von Werners Auto über die Schulter
nach hinten blickte, eine weit ausladende Handbewegung machte und nach vorn
durch die Enge in die Freiheit fuhr.
»Das ist vielleicht ein tolles Höllenfeuer. Wir können stolz darauf
sein. Und alle Spuren sind verwischt.« So oder so ähnlich musste es in Werners
Ohren geklungen haben.
» SAKRAMENTISCH !«, übersetzte Artur.
Die Ratten verließen das sinkende Schiff. Zufrieden und im Reinen
mit sich selbst machten die drei sich schließlich auf den Heimweg, jeder in
seine Richtung. Der eine nach links, der andere nach rechts. So richtig auf
geradem Pfad bewegte sich keiner.
FÜNFZEHN
Die Montagausgaben der Süddeutschen, des Abendblatts, der
Bild-Zeitung und des Oberbayerischen Volksblatts waren voll empörter
Bewunderung über den rätselhaften und tollkühnen Überfall, der am frühen Abend
des Samstags südlich von Grafing in einem Waldstück bei Schloss Maxlrain
stattgefunden hatte. Ein Kleinbus, der sich mit acht Schmuck- und
Juwelenhändlern auf der Rückfahrt von der inhorgenta, der bedeutendsten
europäischen Schmuckmesse, befand, war ausgeraubt worden. Die Händler waren in der
Hauptsache Italiener gewesen und hatten ihre Ware – Schmuck, Juwelen, Uhren,
Edelmetalle – während des Tages auf der Messe verkauft. Mit Bündeln von Bargeld
in der Tasche seien sie wieder zurückgereist und hätten die Flaschen kreisen
lassen.
Wie konnte das passieren? Wo war die Polizei gewesen? Wieso konnten
die Räuber unerkannt entkommen?
Es gab aber Stimmen, Kommentare und später auch Leserbriefe, die man
nur als wohlwollend bezeichnen konnte.
»Gut, dass es endlich einmal die Mafia getroffen hat. Sonst ist es
eher umgekehrt.«
»Schmuckhändler aus Süditalien? Ist doch gut, dass denen endlich
auch mal etwas abgezwackt wurde.«
»Wie haben die Täter es bloß geschafft, einen Bus voller bewaffneter
Mafiosi zu überwältigen und auszurauben? Ausgesprochen genial! Sehr
sympathisch! Könnt ihr mir den Trick verraten?«
»Super! Hoffentlich werden die nicht erwischt! Meine Frau und ich
drücken die Daumen.«
Für die Presse war der Überfall ein gefundenes Fressen – der
Überfall selbst und seine Folgen. Zwei Tage später war folgender Wortlaut zu
lesen:
» FLUCHTWAGEN GEFUNDEN ! – In einem
Steinbruch nahe des Inns wurde das Wrack des Autos gefunden, das die
Schatzräuber von Maxlrain offensichtlich für ihre Flucht benutzten. Wie es dort
hinkam und warum es komplett ausbrannte, ist zunächst unklar. Die Polizei geht
jedoch davon aus, dass die Schatzräuber das Fahrzeug absichtlich zerstörten, um
mögliche Spuren zu verwischen, so Dietmar Pratzold, Sprecher des
Polizeipräsidiums Oberbayern Süd.
Der Fall ist nach wie vor absolut verwirrend. Wie berichtet, war ein
Kleinbus mit acht italienischen Schmuckhändlern, die von der Fachmesse in
München kamen, überfallen und ausgeraubt worden. Es sollen Handgranaten,
Sprengstoffgürtel und Tretminen im Einsatz gewesen sein. Daher kann nicht
ausgeschlossen werden, dass es sich um einen Terroranschlag gehandelt hat.
Darüber hinaus tappt die Polizei vorläufig noch im Dunkeln.
Für die Täter muss es ein Leichtes gewesen sein, die Händler zu
überwältigen, denn diese hatten einen durchschnittlichen Blutalkoholgehalt von
1,57 Promille, einer sogar von 2,28 Promille. Einzig und allein der
Fahrer war nüchtern. Er steht noch immer unter Schock und ist nicht
vernehmungsfähig. Sieben Italiener waren vor Ort, als die Polizei endlich
eintraf, der achte fehlt spurlos. Man geht davon aus, dass er im Schock das
Weite gesucht hat. Er wird noch gesucht.
Ferner heißt es, dass die Gesichter der Händler hinter
Vollgummimasken versteckt waren. Nach ersten Angaben waren ihnen diese von den
Tätern übergestreift worden. Auch die Diebe sollen solche Faschingsgesichter
getragen haben. Zu welchem Zweck, steht nicht fest. Es soll
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