Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
Vom Netzwerk:
einen
Augenblick. Dann wär der ganze Aufwand umsonst gewesen. Bis ihm eine halbe
Sekunde später wieder ins Bewusstsein drang, dass das, womit Artur in der Luft
herumfuchtelte, eine täuschend echte Glock war, die Waffe, die der FBI trug. Er kam sich vor wie in einem nicht besonders
gut gemachten Film. Trotzdem musste gehandelt werden. Sie waren nicht auf dem
Oktoberfest.
    Jetzt erst bemerkte Hadi das Fahrzeug im Hintergrund. Beide Türen
standen weit offen. Als hätte das Auto die Arme für sie ausgebreitet.
    Werner hatte die Situation rasch kapiert. Er griff sich den
taumelnden Artur, während Hadi, unterstützt vom Fahrer, der dümmlich grinsenden
Opel-Besatzung klarzumachen versuchte, dass sie in die Hölle ( inferno , übersetzte der Fahrer) fahren würden, wenn sich
auch nur einer ( uno ) rührte. Einschließlich Fahrer ( io ).
    Apropos Fahrer. Hadi griff sich ein kleines Bündel Scheine aus dem
Geldsack und zählte fünftausend Euro ab. Damit ging er zurück zum Opel, nahm
die Hand des Fahrers vom Lenkrad, öffnete sie, drückte das Geld hinein und
schloss sie wieder.
    »Pssst!«, flüsterte er ihm zu. Sein Gesicht war eine Handbreit von
dem des Fahrers entfernt. Er konnte seinen Atem spüren. »Schweigegeld.«
    Der Fahrer spreizte die Finger. Er warf einen kurzen Blick auf seine
offene Hand und bewegte den Daumen über das Papier. Er schluckte, seine Nase
zuckte.
    Er weint ja, dachte Hadi erstaunt. Und er nickt dabei. Das ist gut.
    Drüben, ein paar Schritte entfernt, stand das Fluchtfahrzeug. Hadi
wunderte sich, dass es der alte Schinken bis hierher geschafft hatte. Er warf
sich auf den Rücksitz. Ein Chor wütender, kreischender, krächzender Stimmen
begleitete ihn wie rauschender Beifall in der Allianz-Arena.
    »Maledettomerdasaltomortalehundoverreckzo!«
    Hadi lächelte vergnügt, als er die Tür zuschlug, sich die Maske vom
Gesicht riss und Werner den Motor starten ließ. Hatte er richtig verstanden? Es
klang wie Zustimmung. Wie ehrlicher Applaus. Die Kerle besaßen einfach zu viel moneta . Gut, dass es jetzt etwas weniger war.
    Die drei konnten sich auf die Schulter klopfen. Sie hatten über
zweihundertsiebzigtausend Euro erbeutet! Trotz des unliebsamen Zwischenfalls
mit Artur. Sie hätten Millionen einsacken können. Doch nachdem sie drei Mann im
Bus erleichtert hatten, hatte Hadi zum Rückzug geblasen.
    »Das langt. Wir wollen uns ja nicht bereichern. Wir wollen lediglich
Artur zu einem erträglichen Leben verhelfen!«
    Arturs Anfall ging wieder einmal erstaunlich rasch vorbei. Zwei
Tabletten und ein unerschrockenes »Sakramentisch!« hatten ihn in einen kühnen
Krieger zurückverwandelt. Außerdem hatte er Angst vor Hadis Rache. Dessen Augen
glühten verdächtig. Artur war gewarnt.
    Der alte Fiesta hustete, ratterte und schnaufte zum Verenden schön.
Dreizehn Minuten lang fuhren sie durch den Wald und über die Dörfer, bis sie
vorsichtig auf einen Kirchenparkplatz rollten. Dort hatte Werner seinen eigenen
Wagen geparkt. In Windeseile wechselten Werner und Hadi hinüber, Artur blieb
hinterm Lenkrad des Fiesta.
    Wenig später fuhren die beiden Fahrzeuge feierlich hintereinander
durch eine Enge in eine geheimnisvolle Schlucht ein. Die Schlucht erwies sich
als Steinbruch. Die Umgebung ringsum war ideal für ihr Vorhaben. Zerklüftete
Felswände, die hoch bis in den dunklen Himmel ragten. Tote Maschinen standen
wie Skelette wahllos aufgereiht. Mächtige Granitquader lagen einzeln und in
Haufen herum, als hätten gewaltige Riesen mit ihnen Tennis trainiert. Die
Scheinwerfer erfassten meterbreite Wasserpfützen, in denen verendete Ratten,
Schildkröten und Warane schwammen. In einiger Entfernung bellte irgendwo ein
Hund. Sein Bellen wurde von den Steilwänden reflektiert. Sonst war es geradezu
unheimlich still.
    Hadi und Werner sprangen aus ihrem Auto und reichten Artur eine
randvolle Tüte durchs Wagenfenster.
    Der warf einen kurzen Blick hinein. Drei bezopfte Gummimasken
grinsten ihn an. Er wühlte sich bis zu den Handschuhen durch, darunter befand
sich noch Hadis Bayernburschenmaskerade einschließlich des Kissens für die
Wampe. Alles da, okay.
    Er fuhr wieder an und stellte den Fiesta in hundertzwanzig Metern
Entfernung seitlich einer besonders großen Lache ab. Er holte die
Brandsatzkombination aus dem zerbeulten Kofferraum und brachte sie im
Fahrgastraum an. Behutsam schob er einen mitgebrachten Glassplitter unter die
Fußmatte, musste laut auflachen und gab den Komplizen ein Zeichen.

Weitere Kostenlose Bücher