Sakramentisch (German Edition)

Schokolade? Oder boten sie ihm Schokolade?
Hilfesuchend sah er zum Fahrer.
    »Nein, kein giocattolo !«, rief der seinen
Fahrgästen zu. »Das ist kein Spielzeug, ihr Deppen. Die Handgranate ist echt!«
    Hadi wollte sich gerade über den unerwarteten Komplizen freuen, der
die Sprache der Mafia verstand. Doch dazu kam es nicht.
    Die Schiebetür wurde von außen aufgerissen.
    Zwei Gestalten streckten die Köpfe herein. Beide mit einer
Vollgummimaske über dem Gesicht. Kulleraugen, Stupsnase, knallroter Mund,
rosarote Wangen, blonde Zöpfe … Und gelben Latexhandschuhen.
    Nun waren sie schon zu zehnt.
    »Thomas!«, rief Hadi. Und: »Kalle!«
    Innerlich musste er grinsen. Er dachte daran, welchen Eindruck es
später auf die Kripo machen würde, im Besitz der Namen seiner Komplizen zu
sein.
    Ein Italiener plärrte etwas hinaus, was wie »gulaschsupporapina!«
klang. Es sollte wohl »Ich glaube, wir sind in einen Überfall geraten. Haltet
euer Geld fest!« bedeuten.
    »Geld her!«, schrien Werner und Artur gleichzeitig. »Alles! Los,
macht schon!«
    Werner streckte eine Pistole in den Wagen, Artur setzte dem Fahrer
eine Mündung auf die Brust.
    Auch Hadi hatte sich nun aus dem Fahrzeug gequetscht. Den dreien in
der ersten Reihe, die mit ihren Geldbündeln geprahlt hatten, brauchte er sie
nur aus der Hand zu nehmen. Er steckte sie in einen Beutel.
    Die Handgranate hielt nun Artur in die Höhe. Die zweite
Freiheitsstatue.
    Hadi wandte sich der nächsten Reihe zu, um sie abzusahnen, nie näher
als eine halbe Armeslänge von den Kerlen entfernt, aber auch nie weiter. Er sah
in all die fröhlich lächelnden Mädchengesichter und erkannte sich selbst darin.
    »Hattumoschinadiomonetacriminale«, rief der Mittlere der ersten
Reihe in klagendem Ton. Was wohl so viel heißen sollte wie: »Ogottogottogott,
mein ganzes schönes Geld ist weg. Fasst die Verbrecher!«
    Die anderen fühlten sich angeregt. Sie jammerten mit.
    »Lamentamafiacatschomilamentareitalia!«
    Hadi ahnte, was sie auszudrücken wünschten: »Leck mich am Arsch, man
könnte grad meinen, wir sind in Süditalien!«
    Einer wollte sich die Maske vom Gesicht reißen. Sofort blickte er in
die Mündung von Werners Waffe. Er ließ es bleiben.
    »Kalle, übernimm du«, sagte Hadi möglichst laut. Jeder sollte den
Namen hören. Er trat zur Seite, in den Schatten, und zählte das Geld. Es
dauerte eine Weile.
    »Was soll das?«, fragte der Fahrer. Seine Gesichtsfarbe hatte in
zartes Rosa gewechselt. Doch seine Miene war finster wie die Nacht. »Kann ich
jetzt weiterfahren? Ich habe meine Zeiten einzuhalten. Gleich wird die Zentrale
anrufen, wo ich bleibe.«
    Das machte Sinn. Sag ich’s doch, dachte Hadi, der ist ein
zuverlässiger Mitarbeiter. Er selbst war mit Geldzählen fertig. Fast
dreihunderttausend Euro. Das sollte reichen. Er gab den anderen beiden einen
Wink zum Rückzug.
    In den nächsten Sekunden war alles vorüber. Es folgten die einzigen
Programmschritte, die sie in Werners Gartenhaus perfekt eingeübt hatten.
    »Waffen und Handys raus!«, bellte Werner.
    Hadi und Artur gingen mit einem mitgebrachten Sack herum, wie sie es
als Ministranten gelernt hatten.
    Niemand reagierte.
    » Pistola ! Handy. Äh, Mobile !«
    Hüsteln. Kurze Korrektur.
    »Telefono!«
    Werners Sprachkenntnisse von seinen Kurzaufenthalten am Gardasee
waren nicht sehr ausgeprägt.
    Ein Raunen ging durch die Menge.
    »Oh. Aha.«
    Fünf Händler und der Fahrer trugen Waffen.
    Eine pistola und ein telefono nach dem anderen wurden versenkt. Der Sack wurde unter all dem Eisen schwerer
und schwerer.
    Hadi stolperte nach hinten und zerrte seinen Nebenmann heraus. Er
stellte ihn ins richtige Licht und lupfte seine Jacke. Der Italiener hob die
Hände über die Schulter und sah mit fröhlicher Miene in die Runde. Der
Sprengstoffgürtel kam zum Vorschein.
    »Um Gottes willen«, rief der Fahrer. »Ein Terrorist. Das muss ich
melden.« Er griff zum Mikrofon.
    Artur riss das Kabel aus der Fassung.
    Bisher war alles perfekt gelaufen. Trotzdem wurde Hadi nervös. Was
hieß Sprengstoffgürtel auf Italienisch? Wie sollte er denen beibringen, dass
sie sich nicht vom Fleck zu rühren hatten, weil sie sonst gesprengt würden? Ihm
wurde heiß unter der Gummimaske. Doch das kannte er schon vom Dirndl-Gachinger.
    »Ahhhh!« Ein lauter, entsetzter Schrei.
    Artur lief mit dem Funkkabel in der einen Hand im Kreis herum. Mit
der anderen griff er sich an die Brust.
    Hoffentlich erschießt er sich nicht, dachte Hadi für