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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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dass sie im Hotel Sonne wohnte, heute Abend war das Treffen, und
morgen am späten Nachmittag würde sie wieder zurückkommen. Zwischendurch, wenn
Zeit blieb, wollte sie sich noch mit einem Studienkollegen treffen, der im
selben Ort verheiratet war. Von ihm hatte sie schon öfter erzählt. Er hieß
Jedlitschka.
    »Und dann hab ich den Gustl Jedlitschka angerufen. Der freut sich
schon. Seine Frau und er haben mich vom Fleck weg zum Essen eingeladen.«
Ottakring hatte den Klang ihrer Stimme noch im Ohr. Eigenartigerweise konnte er
sich den schwierigen Namen gut merken.
    »Sie klingen sympathisch, Frau Weimar«, sagte er. »Aber Sie werden
verstehen, dass ich Ihnen am Telefon keine Antwort auf Ihre Frage geben kann.«
Obwohl er natürlich zu gern gewusst hätte, was der Hintergrund ihrer Frage war.
    Er fühlte sich, als würde der Boden unter seinen Füßen wegschmelzen.
Hilfesuchend klammerte er sich an das, was er gerade greifen konnte. Die
Zeitung von heute. Er schlug den Regionalteil auf: »Noch keine Spur im
Maxlrain-Raub.« – »Gehören Dirndl und Schmuck zusammen?«
    Er war gespannt, wann er endlich einmal von Rico Stahl über den
neuen Fall unterrichtet werden würde. Aber keine Angst, sagte er sich. Der
würde schon rüberkommen, wenn er ihn brauchte.
    »Also gut«, sagte Frau Weimar resolut. »Wann können wir uns treffen?
Und wo?«
    Ottakring sah auf die Uhr. Halb neun in der Früh. Wenn er etwas
erfahren wollte, musste er die Frau sprechen.
    »Wie wär’s mit Rosenheim?«, schlug er vor.
    Er überlegte kurz, ob sie sich beim Dinzler treffen sollten. Das
Café lag näher als die Innenstadt. Doch das Dinzler war meist besetzt von
Müttern mit und ohne Kinder. Und Ottakring hasste Kinderwägen und Babygeplärr
in der Öffentlichkeit und Frauen, die sich mit Tratsch die Zeit vertrieben.
    »Kennen Sie das Giornale am Max-Josefs-Platz?«, fragte er. »Ja? Um
zehn Uhr?«
    Das Giornale war sein Lieblingslokal in Rosenheim. Hier war er schon
oft gewesen. Hier vermischten sich die Szenen. Hier ging man hin nach dem
teuren Restaurantbesuch, nach dem Kino, man traf sich vor dem Shopping, auf dem
Weg zur Herbstfestwiesn. Mit Gesomina, der zierlichen schwarzhaarigen Wirtin,
deren Mann vor wenigen Jahren erschossen worden war, hatte er schon so manchen
Cappuccino getrunken.
    Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage empfand Joe Ottakring ein
erregendes Gefühl der Spannung angesichts der Tatsache, dass eine große, fast
greifbare Veränderung in unmittelbare Nähe rückte. Er wollte wissen, was mit
Lola los war. Wehmütig dachte er an die ersten Jahre, die vielen schönen Jahre
mit ihr. Doch sein inneres Gefühl sagte ihm, dass eine Entscheidung bevorstand.
    Lola war so anders geworden. Sie hatten sich voneinander entfernt.
Nun hatte er sich auf den Anruf dieser Frau Weimar eingelassen und sogar eine
Verabredung mit ihr getroffen. Es schüttelte ihn, wenn er an das mögliche
Ergebnis dachte. Was würde die Frau ihm erzählen? Was wusste sie, wovor er die
Augen verschlossen hatte?
    Als Artur Josef erwachte, lag er in einem fremden Bett. Er öffnete
die Augen und machte sie gleich wieder zu. Das ging eine ganze Weile so. Bis er
endlich kapierte, dass er unweigerlich wach war. Also behielt er die Augen
offen.
    Der Raum war dunkel und still. Er war nur etwas erhellt von
Lämpchen, die glühten und blinkten, und wurde von Pieptönen in variierenden
Tonhöhen beschallt. Artur wollte aufstehen, aber es gelang ihm nicht. Er hing
an unendlich vielen kreuz und quer verlaufenden Strippen, und seine Arme ließen
sich nicht bewegen. Er schaute an sich hinunter. Er wollte es zunächst nicht
glauben. Seine Handgelenke waren ans Bett gefesselt.
    »Hey!«, wollte er rufen. »Hallo! Ich will hier raus!« Er wollte
brüllen. Doch alles, was aus seinem Mund quoll, war ein heiseres Krächzen.
    Er krallte sich die Schnur mit dem Alarmknopf, die seitlich von der
Decke hing, und drückte sich die Knöchel weiß.
    Nichts. Niemand kam. Nur Blinkendes und Piepsendes existierte
weiterhin in diesem Raum.
    »Hilfe!« – »Hallooooo!« – »Hiiiilfe!«
    Die Tür ging auf, und im hell erleuchteten Viereck des Rahmens stand
eine massige Gestalt.
    Das Licht im Zimmer ging an.
    »Was ist los, Herr Huber? Was fehlt Ihnen?«
    Artur kannte die Frau nicht.
    »Ich will hier raus! Ich bin eingesperrt!«, kam es heiser aus ihm
heraus.
    Die Frau trat an sein Bett. Sie war seltsam gekleidet. Weiße
Schürze, Lesebrille über mächtigem Busen, besorgter Blick. Sie

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