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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Phantomen
zu tun hätten, würde ich ja selbst losmarschieren und die Kerle aufspüren. Das
tät mir schon gefallen. Das ist meine Stärke, Leute. Aber vorher brauch ich
eure Mitarbeit. Euren Erfolg. Nur euer Erfolg hilft auch mir weiter. Morgen
früh hab ich wieder eine Pressekonferenz. Was soll ich denen sagen? Dass wir im
Besitz wichtiger Fasern eines Trachtenjankers und deren Bestandteilen sind? Die
Peitschenhiebe der Kameraden fühle ich jetzt schon.«
    Chili war übertrieben langsam von ihrer Tischplatte gerutscht. Jetzt
strich sie sich die Hose glatt.
    »Wir sind doch die Mordkommission, oder?«, sagte sie leise, fast im
Flüsterton. »Und? Hat bis jetzt nicht immer alles bis ins Kleinste
funktioniert, wenn es um Mordermittlung ging? Haben wir nicht eine der höchsten
Aufklärungsquoten in Deutschland?«
    Siegessicher blickte sie Rico ins Auge. »Das müssen Sie denen
beibringen. Dass wir stinknormale Überfälle bearbeiten, ist weder unser Job
noch unsere Spezialität. Wenn unser Rosenheimer Stadtreporter vom Volksblatt
morgen als Moderator bei DSDS auftreten sollte,
hätte er auch Schwierigkeiten. Gerade der. Und welche Probleme!«
    Chilis Augen funkelten. Sie schien den Stadtreporter gut zu kennen.
    Rico schob sich vom Fenster weg.
    Bruni stand auf. »Der Glassplitter!«, rief er laut. »Hätte ich fast
vergessen. Wir haben ja noch einen circa zwei mal drei Komma fünf Zentimeter
großen Glassplitter unter der verkohlten Fußmatte des Fahrersitzes gefunden.
Mit Hilfe der Messung der spezifischen Lichtbrechung konnten wir das Teil als
Rest eines Audi-Scheinwerferglases identifizieren. Das verbrannte Auto war
allerdings ein Ford Fiesta …«
    »Ach was, Märchenstunde!«, rief Rico in den Raum. »Begreift endlich –«
    Mehr auszuführen, dazu kam Rico leider nicht. Die Tür flog auf und
schlug heftig gegen die Wand.
    »Der Huawa, der Huawa!«, schrie eine schrille Frauenstimme in den
kleinen Besprechungsraum.
    Rico konnte weder mit dem Namen noch der Frau etwas anfangen. Er fühlte
nur die Störung.
    Chili machte einen Satz auf die Frau zu. Sie war eine
Sachbearbeiterin aus dem Erdgeschoss, die den entlassenen Artur Josef Huber im
Nebenjob als Pförtner ersetzte. Eine Frau mit Pferdegesicht und ebensolchem
Hinterteil.
    »Den Huawa ham’s ins Klinikum bracht«, rief sie, als ginge es um ihr
eigenes Leben. »Und …«
    »… und was wollen Sie hier bei uns? Sehen Sie nicht, dass Sie
stören wie ein wild gewordener Affe bei einer Hochzeit?«
    »Ja wieso? Is des net die Betriebsratssitzung?«
    Eisiges Schweigen.
    »Die ham mi zur Betriebsratssitzung gschickt. Großer
Besprechungssaal. Ja …«
    Im selben Augenblick schien sie zu merken, dass sie hier falsch war.
»Ja mei, bin i bleed! Dann entschuldigen’S halt vielmals. Aber dem Huawa, dem
geht’s wirklich beschissen!«

SIEBZEHN
    »Herr Ottakring?«
    Eine schluchzende Frau am Telefon. »Wissen Sie, wo Ihre Frau ist?«,
fragte sie kaum verständlich.
    Ottakring kam gerade aus dem Badezimmer. Er dampfte noch. »Wer sind
Sie denn, dass Sie mich das fragen?«
    Nervöses Auflachen. Sie hatte sich wieder gefasst. »Ach,
entschuldigen Sie, dass ich mich in der Aufregung gar nicht gemeldet habe. Mein
Name ist Weimar.«
    Weimar, überlegte Ottakring. Den Namen Weimar kannte er nur einmal.
Weimar, Dierk. Der Redakteur im Sender. Der Mann, mit dem Lola sich auf Malta
getroffen hatte.
    Ottakring war schon von Berufs wegen schnell von Begriff. Ihm wurde
plötzlich heiß. »Grüß Gott, Frau Weimar«, sagte er mit klopfendem Herzen.
»Wieso fragen Sie mich nach meiner Frau? Sind Sie eine Kollegin von ihr?«
    Die Frau am anderen Ende hustete leise. Wahrscheinlich hielt sie
sich die Hand vor den Mund. »Nein«, sagte sie dann. »Nicht ich. Mein Mann ist
ein Kollege von ihr. Er ist Redakteur beim Bayerischen Fernsehen. Dierk
Weimar.«
    Ottakring sagte nichts.
    »Schon mal gehört, den Namen, Herr Ottakring? Dierk Weimar.« Sie
sprach den Namen so langsam aus, dass man ihn hätte buchstabieren können.
    Gut, dachte der Kriminalrat. Da ruft mich eine wildfremde Frau an,
behauptet, sie sei die Frau eines Kollegen von Lola, und fragt mich, wo Lola
sei. Schon seltsam.
    »Und Sie wollen wissen, wo meine Frau ist?«, fragte er.
    »Nein, umgekehrt. Ich frage Sie, ob Sie wissen, wo Ihre Frau ist.
Wissen Sie’s denn?«
    Natürlich wusste Ottakring, wo Lola sich aufhielt. Gestern war sie
zu ihrem Klassentreffen gefahren, wie vor fünf Jahren auch. Sie hatte ihm
hinterlassen,

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