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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Überlebenstest beim Überqueren der Fahrbahn machen.
    Die Sonne stand hoch, und die Bäume warfen dunkle, kühle Schatten
auf den verschmutzten Schnee, als sich oben im kleinen Besprechungsraum drei
Gestalten mit halb geschlossenen Lidern und müden Wangen die nächste von
ungezählten Tassen edlen Polizeikaffees eingossen und in die x-te
Leberkässemmel vom Bäcker gegenüber bissen.
    »Faserreste«, knurrte Rico Stahl. »Faserreste haben wir. Sie stammen
von einem Trachtenjanker. Einem forstgrünen Trachtenjanker. Das Geschäft, in
dem der Trachtenjanker gekauft wurde, haben wir. Größe 54, also ein Mann
in bestem …« Er schlug mit der Faust auf den Tisch. »Himmelherrgott, was red
ich überhaupt. Wieso haben wir bei allem, was wir haben, den Inhaber dieser
gottverdammten Trachtenjoppe noch nicht?«
    Chili Toledo hatte den neuen Chef noch nie so aus der Haut fahren
sehen. Stand ihm der Präsident im Kreuz? Die Zeitungen fingen langsam an, sich
lustig zu machen. Sie standen eh auf der Seite der Schwachen, also der Räuber.
Auch Radio Charivari hatte einen Beitrag gebracht, der sie alle durch den Kakao
zog.
    »Ich werd wohl bald meine Modeboutique aufmachen müssen. Wie
gewünscht, Chef«, sagte sie. »Werden Sie zur Eröffnung da sein?«
    Rico zog lustlos an seiner Krawatte, einer silber melierten mit
sumpfbraunen Querstreifen.
    »Wenn ich nicht grad als Verkäufer in meinem Krawattenstudio steh,
wird es mir eine Ehre sein«, gab er mit grimmiger Miene zurück.
    Bruni strich sich mit gespreizten Fingern durch die schulterlangen
Haare. Ihn hätte man eher für den Leiter einer Werbeagentur oder eines
Kulturbüros gehalten als für den Chef der Spurensicherung.
    »Mich beschäftigen da ganz andere Fusseln«, sagte er. »Aus dem total
ausgebrannten Wrack war ja nach menschlichem Ermessen nicht mehr viel zu holen.
Dennoch haben wir nach tagelanger Kleinarbeit noch Faserreste sichergestellt.
Wir haben sie mit dem Laser-Mikroson … Laser-Mikrosonden-Masso … dem
Laser-Mikroson …«
    »… sonden-Massenanalysator, abgekürzt LAMMA  …«, vervollständigte Chili den schwierigen Satz.
    »Danke, Frau Kollegin. Meine üblichen Sprachstörungen, wenn’s ins
Intellektuelle geht. Also wir haben die Fasern mit einem LAMMA abgetastet. Dabei fanden sich fahndungstaktisch
hochinteressante Anhaftungen von …«
    »Ähäm!!«, machte Rico. Mit zwei Ausrufungszeichen.
    »Ja, ja, ich hab’s gleich. Will ja nur rekapulie…«
    »Ähh … rekapilatie…«, verhaspelte sich Chili.
    Heute trug sie eng anliegende schwarze Hosen mit einem Top aus
goldolivgrüngelber Stickerei. Dazu wagenradgroße, dünne Silberohrringe, wie man
sie bei Sinti- und Roma-Frauen sieht.
    »Ich will ja nur wiederholen, was ich schon einmal heruntergebetet
habe«, sagte Bruni. »Wir haben Anhaftungen von zwei verschiedenen
Fleckenentfernern gefunden, den Duftstoff eines bestimmten Rasierwassers,
außerdem einen Bestandteil, der sich bei Seniorenhundefutter findet, und einen
winzigwinzigwinzigen Krümel von Schnupftabak der Marke Gletschergänger.«
    Rico nickte verschlafen, stand auf und wollte sich Kaffee besorgen.
    Chili nahm ihm die Tasse aus der Hand und füllte sie.
    »Sie sollten Detektiv werden«, sagte Rico zu Bruni.
    »Klar, mach ich, wenn ich mal groß bin.«
    »Wir hatten ein fein differenziertes Fahndungsraster«, nahm Chili
nun das Heft in die Hand. »Käufer der Marke M3-Flecken-weg, Trockenrasierer,
Schnupfer, Besitzer eines alten oder fetten Hundes. Das Problem war nur, dass
unsere Nachforschungen ergaben, dass der Trachtenjanker aus einem
Secondhandgeschäft in Innsbruck stammt.«
    Bruni klatschte lautlos in die Hände. »Ein Hoch auf unsere Tiroler
Kolleginnen und Kollegen.«
    »Hollarahüdü!«, jodelte Rico grimmig. Es klang sehr nach Moll.
    Er lehnte am Fenster, den Rücken der Straße zugewandt. Chili hatte
zur Hälfte auf einer Tischplatte ihm gegenüber Platz genommen, und Bruni saß
ordentlich an einem Besprechungstisch. Sein Blick klebte an einem Farbfoto der
blonden Rosenheimer Oberbürgermeisterin an der Wand.
    »Der Dirndlüberfall und der Maxlrainer Überfall gehören zusammen. Es
sind dieselben Täter beziehungsweise es ist die gleiche Tätergruppe.«
Unternehmungslustig sah Rico von Bruni zu Chili.
    »Reden wir nicht um den heißen Brei herum«, fuhr er fort. »Wir sind
in beiden Fällen überhaupt nicht weitergekommen. Wir haben nichts Handfestes im
ersten und nichts Greifbares im zweiten Fall. Wenn wir es nicht mit

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