Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
sie dem Papst schenkte. Doch wie immer in Italien wo alle sich gern wegen jeder Kleinigkeit an die Gurgel gehn haben sich dann andre Päpste mit den Kaisern und mit einer Menge mächtiger Familien von Rom um Ninfa gestritten, und die Stadt wurde mehrmals gekauft verkauft zerstört erobert wieder verkauft wieder zerstört gestohlen und nochmal zerstört, bis vor etwa hundert Jahren die letzten Einwohner die Nase voll hatten und fortgegangen sind um woanders zu leben wo weniger Durcheinander herrscht. Seither heißt sie die Tote Stadt.
Die Tote Stadt ist klein, hat aber reichlich Häuser aus Stein, und sind sehr schön und gut gebaut, und in der Mitte steht ein stattlicher hoher Turm von dem aus man das ganze Land ringsumher überblickt, so glaub ich wenigstens, Signior Padrone, wo doch alle andren Häusern klein und niedrig sind.
Wann wir ankommen sagt der Bauer, passt auf, ihr zwei, um in die Tote Stadt zu kommen, müsst ihr über eine Brücke gehn, denn der Fluss läuft rings um die Stadt und man kann nicht hindurch, verstanden? Aber Lionardo und ich haben uns schon gedacht dass man nicht über die Brücke kann, weil dann würden die Teutschen uns bestimmt sehen, oder schlimmer, wahrscheinlich haben sie sogar eine Wache aufgestellt, denn man kann von den Teutschen und Straßburgern und Elsässern so schlecht reden wie man will, Signior Padrone, ein Talent haben sie mit Sicherheit, nemlich sie können gut, nein sehr gut organisiren, sonst würden sie’s auch gar nicht schaffen so viel Ärger zu machen.
Von weitem sehn wir dass in den Ruinen der Toten Stadt allerlei Treiben herrscht, Menschen Pferde Karren, also sagen wir uns, aha, wir haben richtig geraten, heut ist die Versammlung der Teutschen, und ich bin zimlich froh denn endlich machen wir mal was richtig anstatt immer bloß zu warten dass jemand kommt uns zu drohen wie der Grassi oder uns das Gesicht einzuschlagen wie der Mensch mit den Beuleiern oder uns umzulegen wie der andre Kerl der mich verfolgt und vorm Gasthaus de la Campana fast erledigt hätt, und so denke ich, jetzt wollen wir doch mal sehn was zum Henker diese Straßburger so im Schilde führen. Lionardo dagegen hat wie immer Schiss, denn ihm kommen schon wieder Fürze, sogar drei hintereinander, und stinken als wie faule Eier.
Jedenfalls gehn wir auf die Tote Stadt zu, dieweil die Sonne sinkt, und bald sehn wir von weitem die Brücke, drum schlagen wir sofort eine andre Richtung ein, denn man sieht auch schon den Turm auf dem bestimmt eine Wache steht wo die Lage immer im Auge behält, weil wie ich schon gesagt, die Teutschen sind gewiss nicht blöd und können sehr gut organisiren etcetera. Wann wir aber an den Fluss kommen sehen wir dass er recht breit ist und hat an manchen Stellen sogar kleine Wasserfälle, und darum kann man auf gar keinen Fall durch diesen Scheißfluss waten. Also sind wir praktisch lahmgelegt und fangen an zu überlegen was zum Teuffel wir tun können, aber Gottlob kommt uns sofort die geniale Intuitz Intzio Intuistiz der schlaue Kopf von Lionardo zu Hilfe, denn er ruft, halt, Salaì, Ich weiß wie wir auf die andre Seite kommen!
In der Nähe liegt nemlich ein Stapel Brennholz, den hat vielleicht irgendein Bauer für den Winter aufgestapelt, und war alles ordentlich gehauen in lange grade Stücke und alle von gleicher Form, und bei denen kommt mir was in den Sinn das hab ich schon mal gesehn, aber ich weiß nicht was. Lionardo dagegen ist diesmal ganz klar und sagt, mein lieber Salaì, jetzt zeig ich dir wie man unser Problem löst und wie wir auf die andre Seite kommen, denn wir haben hier alles was wir brauchen um eine schöne Brücke zu bauen. Wirklich?, frage ich und er hebt den Zeigefinger wie wenn er vor dem Senat von Fiorenza sprechen würd, denn das tut mein Ziehvater furchtbar gern wenn er sich wichtig machen will.
Mein lieber Sohn, siehst du diese Hütte dort hinten? Ja, da steht tatsächlich eine Hütte aus Holz und Lionardo redet weiter, lieber Salaì, nach der Modernen Naturwissenschafft von der Logischen und Rationalen Dedukzion ist das mit Gewissheit die Hütte des Holzfällers der diese Stücke gehauen hat, und meiner Meinung nach finden wir dort drinnen auch Sägen und andre Werkzeuge um das Holz zu bearbeiten, wollen wir wetten? Wirklich, Signior Padrone, Lionardo hat Recht, nemlich wie wir die Tür aufbrechen, die nicht sehr robust ist (in dieser Gegend haben die Leute keine Angst vor Dieben, denn außer den Teutschen gibt’s hier wohl nur Schäfer
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