Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
eine blühende Stadt war, die der Kaiser von Konstantinopel Mitte des 8. Jahrhunderts dem Papst schenkte. Nachdem die Stadt im Besitz mehrerer Familien war, darunter die Grafen von Tuscolo und die Frangipane, wurde sie von Friedrich Barbarossa zerstört und fiel unter Papst Innozenz III. an die Grafen Ceccano und die Annibaldi, um schließlich ein Lehen der Familie Caetani zu werden. 1382 wurde sie erneut zerstört und danach vollkommen verlassen. Derzeit befindet sich hier ein Naturreservat.
58.
Mein gütiger und sehr weiser Padrone,
zum Glück ist Lionardo an einer Stelle in den Fluss gefallen wo das Wasser nicht so tief war, drum ist er nicht ertrunken und hat sich nur die Hosen nass gemacht, er hat sie ausgezogen und so krepirt er nicht vor Kälte, denn auf dem Land rings um Rom herrscht eine Mordsfeuchtigkeit. In Unterhosen sieht Lionardo wirklich lustig aus, Signior Padrone, aber er muss seinen tropfnassen Rock zurückzulassen sonst kann er nicht ungehindert gehn, weil es macht splisch splasch und er kann nicht zwei Schritte tun ohne dass er sich die Füße mit Schlamm beschmiert. Lionardo heult wie ein kleiner Junge, au Salaì, mein Rücken schmerzt, ich hab einen schrecklichen Stoß abgekriegt, au Salaì, ich zittre vor Kälte denn ich bin völlig durchnässt, aber ich sage, seid still, Vater, wenn die Teutschen uns hören sind wir geliefert.
Nach dem Fluss gibt’s glücklicherweise keine weitren Hindernisse um in die Tote Stadt reinzukommen, es ist nur schwierig zu vermeiden dass diese verfluchte Wache auf dem Turm uns sieht, aber die Tote Stadt ist voller Pflanzen und Büsche, denn hier lebt ja normalerweise keiner, und so schleichen wir uns geschickt von Busch zu Busch und kommen rasch an ein Haus aus Stein wo scheinbar all die Teutschen reingegangen sind. Denn draußen stehn ihre Pferde und Kutschen, und vor der Tür schiebt sogar einer Wache, aber der ist dann auch ins Haus rein, denn in der feuchten Luft steht sich keiner gern die Füße in den Bauch.
Erst müssen Lionardo und ich viele Male um das Steinhaus herumgehn, um ein Fenster zu finden von wo aus man sieht was zum Teuffel da drinnen passirt, und müssen obendrein Acht geben dass die Wache auf dem Turm uns nicht entdeckt (aber Gottlob ist’s inzwischen richtig dunkel geworden), na jedenfalls finden wir endlich eine Art Loch in der Mauer mit zwei Gitterstäben, und von da sieht man recht gut ins Steinhaus rein.
Drinnen ist eine Gruppe Teutsche und Alemannen die essen wie üblich Würste und trinken Bier. Erst scheinen sie mir alle unbekannt und ich wundere mich ein bisschen, aber dann seh ich Angelo Toefl und Sander das Schwein, außerdem den Vater von Dorothea und ein paar von den Männern die ich bei ihm in der Hütte gesehn wann ich sie nachts mit der kleinen Magd belauscht, und alle scheinen sich sehr gut zu kennen und großes Gelächter und Schulterklopfen etcetera etcetera. Aber mir scheint dass zwei von drei der Teutschen die da versammelt sind mit diesem sonderbaren Aktzent von Straßburg sprechen, also dem Alemannischen, und man kapirt genau dass die Bruderschaft von der Anima und die Gesellschaft aus dem Gasthaus de la Campana, also eigentlich alle Teutschen von Rom, im Grunde von den Straßburgern kommandirt werden, das sind die wo unter der Kirche in ihrer Stadt diesen See mit dem Eingang zur Hölle haben, und ich weiß nicht wie’s Euch geht, Signior Padrone, aber bei dieser Sache läuft mir immer ein Schauer den Rücken runter.
Eine ganze Weile sitzen und stehn und plaudern und trinken sie fröhlich, wie ich’s schon im Gasthaus de la Campana gesehn, und drum frag ich mich schon, verflixt, sind wir etwa umsonst gekommen?
Aber grad in dem Moment tritt Sander vor und hält ein dickes von Hand geschriebnes Buch hoch, doch von dem was die Teutschen sagen verstehn Lionardo und ich nicht die Bohne, denn sie sprechen in ihrer Sprache, aber mir scheint von dem Moment an wo Sander das Buch gebracht, ist das Gespräch anders geworden, nemlich jetzt sitzen alle und lachen ein bisschen weniger und reden scheint’s über dieses Buch. Ich glaube es ist ein Tagebuch, denn sie sagen die Namen von den Monaten im Jahr die auf Teutsch ganz ähnlich sind wie auf Italienisch, ja sie sind eigentlich fast gleich, denn die Männer sagen Septemper Octoper Nofemper und dann noch ein paar furchtbar lange Wörter, das sind vielleicht die Tage, denn darin gibt’s das Wort trai das könnt drei bedeuten, und wann sie funf sagen öffnen sie alle
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