Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
Bohnenstroh und hast kein Recht den Mund aufzutun, verstanden? Und weil wir nicht streiten können, sonst hören uns die Teutschen, beschließ ich ein zweites Mal mir anzusehn wie Lionardo sich aus dieser Sache herauswindet und sage nur, gut, Vater, wie Ihr wollt, Ihr habt ja Recht, und was tun wir jetzt? Eine so friedliche Antwort hat Lionardo nicht erwartet und stammelt, mmmh, naja, du wirst gleich sehn, Salaì, dass wir mit Hilfe der Modernen und Rationalen Wissenschafft gewiss eine gute Lösung finden, und wenn Grassi das hört wird er’s dem Valentino berichten der dann stolz auf mich ist. Dann fängt er an ein paar große Worte zu nuscheln damit ich glaub dass er an irgendeine schlaue Teorie denkt, wie die von seinem Freund Luca Pacioli, dem Matematiker. Jaja, jetzt wolln mal sehn, sagt er und fuchelt mit den Händen in der Luft wie wenn er komplizirte geometrische Zeichnungen macht, wenn wir die relative Parallaxe des Goldenen Schnitts ausrichten, indem wir die absolute Proportion mit dem Quadrat umkehren, welches auf der Hauptbasis der mittleren Katete ruht, dann hätten wir die Lösung, oh ja, mein lieber Salaì, das ist bestimmt der richtge Weg, sagt Lionardo, und glaubt wie immer dass er mich mächtig beeindruckt. Aber ich hab schon immer gewusst, Signior Padrone, je geschwollner Lionardo daherredet desto mehr Blödsinn verzapft er, und im Grunde ist zwischen ihm und der Zigeunerin bei der ich Krickkrack gemacht kein großer Unterschied, nur dass Lionardo wenigstens vorher noch einen schönen Bart gehabt und jetzt hat er nichtmal mehr den. Am Ende ist das Ergebnis von all den großen Worten nemlich bloß dass er vorschlägt die ganze Brücke auf unsrer Seite zu bauen, was wir dann auch schnell tun. Danach sagt er, siehst du, Salaì, jetzt müssen wir sie bloß umdrehen und auf das andre Ufer heben und die Sache ist geritzt, erkennst du wie wichtig es ist dass man Bildung und Wissenschafft im Kopf hat? Ja, Vater, wir machen es wie Ihr sagt, aber ich warne Euch, mir scheint das zimlich schwierig, denn die Brücke ist groß und höllisch schwer. Lionardo bringt mich zum Schweigen mit Beleidigungen und unfreundlichen Worten wie Hornochse Esel Igniorant etcetera, denn wie alle Dorftrottel aus Vinci, seiner Heimat, möchte er nicht gern Unrecht haben, weil er insgeheim weiß dass er keinen Schimmer hat und ungehobelt ist, und darum machen wir’s wie er gesagt, also wir drehn die Brücke langsam zum Fluss hin und heben sie hoch, ich auf einer Seite, er auf der andren, Scheiße ist das eine Plackerei, und wie schwer sie ist, aber blöd bin ich ja nicht, Signior Padrone, also geh ich nicht zu nah ans Wasser ran, wo ich doch schon kapirt hab dass diese Brücke wie alle Erfindungen von Lionardo sehr gefehrlich werden könnt für den der sie wirklich benutzen will. Lionardo der kein junger Mann mehr ist schwitzt wie ein Schwein und stöhnt und sagt, los, Salaì, halt durch, wir haben’s fast geschafft, und wirklich, Signior Padrone, jetzt ragt der vordere Teil der Brücke schon über den Fluss und berührt fast das Ufer gegenüber. Aber grad in dem Moment hört man ein trockenes Geräusch wie Kracks denn einer von den Stämmen in der Mitte ist aus der Verzahnung gerutscht, und schon im nächsten Augenblick bricht Lionardos ganze Brücke auseinander und alle Stämme fallen auf den Boden oder in den Fluss und machen rumpelpumpel, wie eine Herde Rinder die durchgehn und reißen den armen Lionardo im Fallen mit sich der so schwer ins Wasser plumpst als wie ein Sack Rüben, wogegen ich, Signior Padrone, indem dass ich ja schon vorher misstrauisch war, mich bereits an einen Ast gehängt und von da aus einen Sprung ans andre Ufer getan hab, denn auf die Sachen die Lionardo entwirft und baut können sich nur Dummköpfe verlassen. Zum Glück ist Lionardo keiner von den Stämmen auf den Kopf gefallen, sonst wär er jetzt Futter für die Würmer unter der Erde und ich müsst in der Kirche Messen lesen lassen für das Heil seiner Seele als Ungläubiger und Sünder. Und jetzt wartet, Signior Padrone, dass ich mir eine Spülung mach, denn ich hab’s Euch nicht gesagt weil ich nicht gerne jammere, im Gegenteil, aber manchmal tun mir noch die Augen weh wegen diesem Arschloch dem Kerl mit den Beuleiern der mir den Marmorstaub in die Augen geblasen.
Euer untertänigster Diener
Salaì
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1 * Salaì gibt das, was man über Ninfa weiß, genau wieder. Es handelt sich um ein verlassenes Dorf etwa 60 km von Rom entfernt, das einst
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