Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
ihr mich wirklich so nötig braucht dann lasst mal hören was ihr wollt, und ich leg ihm die offizielle Kopie von der päpstlichen Bulle vor die mir der Mensch mit den Beuleiern gegeben, und soll ja angeblich genau dasselbe drinstehn was mir der Pisaner gesagt, nemlich dass der Valentino wirklich der Sohn und nicht der Neffe vom jetzigen Papst Alexander VI. ist:
Sixtus Episcopus, Servus servorum Dei; dilecto filio Cesari de Boria, Scolari Romano, Salutem et apostolicam benedictionem. Comendabilia tue infantilis etatis, que in te pululare videntur, virtutum inditia, ex quibus prout fidedignorum testimoniis …
Ich werd Euch hier bestimmt nicht alles abschreiben, denn dafür würd ich ein paar Tage brauchen, aber wenn wir uns in Fiorenza sehn, Signior Padrone, dann geb ich Euch die Kopie die ich besitze direkt in die Hand. Am Ende fragen Lionardo und ich was genau in der Bulle geschrieben steht. Sagt mal, wollt Ihr mich auf den Arm nehmen?, fragt der Alte zurück. Das sieht doch ein Blinder dass dies Zeug von vorn bis hinten eine Fälschung ist und schlecht gemacht dazu. Wie bitte? Es ist falsch. Und warum, bitte? Das ist so klar, das würd sogar diese Ratte hier kapiren, lacht der Alte und schüttelt den Käfig aus Metall der klingklang macht dieweil die Ratte darin weiter strampelt, aber ein bisschen weniger als vorher. Erstens, sagt der Alte, scheint dies die Bulle von einem früheren Papst zu sein, nemlich Sixtus IV., und hier steht geschrieben dass sie am ersten Oktober 1480 aufgesetzt ward, also vor einundzwanzig Jahren. Und sie nennt Cesare Borgia einen «Römer» wie wenn er in Rom geboren oder aufgewachsen wär, dabei ist er erst vor dreizehn Jahren aus Spanien hier hergekommen, und daran erinnre ich mich genau denn alle wollten ihn von Nahem sehn und kennenlernen wo er doch der Neffe vom Kardinal Borgia war, also dem Vizekanzler, einem hochgeehrten Mann und der zweitmächtigste nach dem Papst. Außerdem ist das Alter vom Valentino falsch, denn die Bulle sagt dass er 1480 sechs Jahre alt war, aber wenn er heute fünfundzwanzig ist konnt er damals höchstens vier sein. Und wo der frühere Papst wahrhaftig kein Idiot war, warum sollte er da sogar eine Bulle schreiben lassen, also ein öffentliches Dokument, worin er seinen Vizekanzler anschwärzt, indem er verrät dass der einen Sohn hat. Obendrein sage ich dir, dass diese sauschlecht gefälschte Bulle sogar von den Registern der päpstlichen Kanzlei widerlegt wird, warte ich zeig’s dir ganz genau, und der Alte steht auf und geht zu einem der Regale an der Wand und wühlt mit seinen knochigen Händen in einem Haufen schmutzigen Papier. Schließlich sagt er, ohh, da ist es ja! Dies ist eine genaue Kopie des Registers der Kanzlei von Papst Sixtus IV. vom Oktober 1480, aber von dieser Bulle die doch sehr wichtig hätt sein müssen, steht hier kein einziges Wort. Also hat sich jemand den Spaß gemacht die Kopie einer Bulle in Umlauf zu bringen die’s in Wirklichkeit nie gegeben hat, bloß um den Papst mit Dreck zu beschmeißen. Denn natürlich kann nicht jeder hingehn und die Register der Kanzlei kontrollieren, und ich hab bloß deswegen eine Kopie weil ich die brauch zum Arbeiten. Aber wo die Leute sie nicht kontrollieren können sind eine Menge falscher Bullen in Rom im Umlauf, ja ihr findet sie sogar in den Schreibstuben der päpstlichen Kanzlei, weil von da kommen die Fälschungen ja sowieso her, und das wissen alle. Von da kommen sie her?, fragen mein Ziehvater und ich mit offnem Mund. Wie ist das möglich, der Papst Borgia ist dreißig Jahre lang Vizekanzler gewesen, und die Bullen gegen ihn kommen ausgerechnet aus der Kanzlei? Sagt mal, lebt ihr hinterm Mond?, fragt der Alte zurück. Habt ihr denn noch nie vom Bischof von Cosenza gehört? Nein, wer ist das? Vor vier Jahren, erklärt der Alte, hat der Papst seinen wichtigsten Sekretarius verhaften lassen, der hieß Bartolomeo Flores 1 * , war Bischof von Cosenza und genoss das Vertrauen des ganzen päpstlichen Hofes. Doch er hat es missbraucht, denn mit einer Gruppe Kumpane hat er angefangen erst wenige und dann haufenweise falsche Dokumente herzustellen, nemlich Bullen Erlasse und Privilegien, und die schickte er jedem der sie haben wollte und bezahlte, und das nicht nur in Italien sondern auch in Spanien, und dann kassierte er das Geld ein und teilte es mit seinen Kumpanen. Nachdem sie aufgeflogen waren, hat man entdeckt dass die Bande über dreitausend falsche Dokumente geschrieben und geliefert
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