Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
legen, nemlich meine Knie sind noch ein bisschen weich, aber da sagt die Blonde, hör mal, hast du nicht gesagt du willst einen schönen langen Spazirgang machen? und ich erwidre, na und? jetzt hab ich meine Meinung geändert. Und wo sie ärgerlich wird hab ich kapirt, es ist ihr egal ob ich müde bin, die Teutsche kann’s nicht ausstehn wenn einer plötzlich seine Pläne ändert, so sind die pingeligen Menschen alle. Drum sagt sie, na gut, dann lass ich dich ein bisschen allein, weil ich Besorgungen machen muss bei den Bauern in der Nähe. Wenn du willst kannst du dich hinterher wieder auf dem Bett ausruhn, nein danke, bloß nicht, sag ich und denk bei mir sonst stürzt sie sich in drei Minuten schon wieder auf mich, wo ich jetzt doch lieber an der frischen Luft sein möcht.
Ich hab mich hingelegt und gründlich ausgeruht und dann eine Runde ums Haus gemacht wo es Hühner gibt Gänse Hunde und andre Tiere, und vom Hühnerhof aus bin ich um den See rumspazirt, und schließlich entdecke ich am rechten Ufer ein Häuschen aus Holz und geh hinein, und sieh mal an, wie eigenartig, da stehn ja lauter Bücher. Warum bewahrt die blonde Teutsche sie hier auf? denk ich und nehm mir eins und sehe dass es auf Teutsch geschrieben ist, drum versteh ich nicht die Bohne. Dann seh ich die vielen andren Bücher und werde doch ganz neugierig und schau sie mir genauer an, nemlich Bücher in einer Holzhütte auf dem Land aufzubewahren, das scheint mir eine wunderliche Idee. Da fällt mir ein dass ich mir einen Schreibstift und ein Stück Papier in die Taverne de la Campana mitgenommen hatt, schau in der Tasche nach und hurra, ich hab sie noch. Also schreib ich ein paar von den Titeln auf:
Schedelsche Weltchronik
Rudimentum Novitiorum
Tacitus – Germania / Celtis – Additiones
Annio da Viterbo – Historia Antiqua
Irenicus – Germaniae Exegesis
Nun sieh mal einer an, wie interessant, ein Haufen Bücher die von Teutschland handeln, fast krieg ich Lust ein paar davon zu lesen, weil in diesem Holzhäuschen ist’s gar nicht so übel, und vielleicht versteh ich dieses sonderbare Volk das sich in Rom breitgemacht hat so etwas besser.
Das erste Buch ist wie ich schon gesagt auf Teutsch was eine Sprache ist die keiner versteht wenn er nicht selber ein Teutscher ist. Das zweite aber ist auf Latein und ich nehms gern in die Hand, weil dies Idiom ist fast genau wie das Italienische, und wenn ein Italiener bei guter Laune und ausgeruht ist, dann kapirt er Latein auch ohne dass er es studirt hat (Lionardo nemlich der niemals fröhlich ist weil er immer zu viel liest studirt und zeichnet, der hat keinen Schimmer vom Lateinischen, aber ich ja). Ich mach das Buch auf und erblick einen schönen Titel DE ORIGINE ET SITU GERMANORUM, was tatsächlich ganz einfach zu verstehen ist weil es auf Italienisch praktisch das gleiche ist, nemlich De l’origine et del sito de li Germani, also woher die Germanen kommen und wo sie wohnen. Der Autor ist ein gewisser Tacitus, und der Name erscheint mir fast als wie ein Witz, denn auf Italienisch heißt tacito einer der nicht spricht, also warum hast du nicht den Mund gehalten, denk ich mir. Dann fällt mir ein, Teuffel auch, das ist doch dieser Tacitus den Poggio Bracciolini entdeckt, also das Buch das Poggio in einem Kloster von teutschen Mönchen gefunden hat, und es erklärt woher die Götter von den Teutschen kommen und gibt den Teutschen die ruhmvollen Ursprünge zurück die sie vorher nicht hatten, oh ja, ich glaube davon hat sogar einer der Teutschen gestern abend gesprochen und gesagt, man müsst es in der Schule studiren. Also denk ich, ich les mal ein bisschen in dem Buch und versuch das wichtigste zu verstehn, und dann erzähl ich es Euch.
Euer immerfort diensteifriger
Salaì
34.
Gütigster Padrone,
so, ich bin grad fertig mit Lesen und jetzt, Signior Padrone, fass ich Euch zusammen was in dem Buch von diesem Tacitus über Germanien geschrieben steht, nemlich ich hab mir ein paar Notizen auf meinem Papier gemacht, und es lohnt sich das Buch zu lesen, weil es gibt ein paar Informazionen die sind glaub ich sehr nützlich wenn einer schlau genug ist.
Es fängt damit an dass Tacitus sagt, um zu wissen wo Germanien liegt braucht man sich bloß vorstelln dass es links vom Fluss Rhein liegt, und dahinter ist Gallien, nemlich das Frankenreich von heute. Darüber ist ein großes Meer, das heißt Ozean, und auf der andren Seite gibt’s noch einen Fluss, die Donau, und hinter dem leben andre
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