Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
glaube gar die Handschrifft von der Germania von Tacitus ist verlorengangen und ich selbst hab keine Ahnung wo sie sich befinden könnt. Signior Exzellenz, frag ich, können wir denn ganz sicher sein dass Poggio oder dieser Enoch von Ascoli überhaupt von einer Handschrifft abgeschrieben haben und diese Germania von Tacitus nicht einfach ihre Erfindung ist? Nemlich als sie diesen Tacitus kopirt haben da waren sie ja in Teutschland, und wer hat gesehn was zum Henker sie dort oben getrieben?
Ciolek denkt ein bisschen nach, und dann sagt er, nun, weißt du mein Junge, das ist eine heikle Sache, denn tatsächlich wär es für Poggio oder Enoch kein Problem gewesen eine Handschrifft nach Rom zu bringen und zu sagen, seht her, das hier ist uralt und ich hab’s in einem teutschen Kloster gefunden. Leider gibt es keinen sichren Weg um herauszufinden wie alt eine Handschrifft ist, man kann nur sagen, diese Schreibweise und der Stil sind so alt dass die Schrifft wahrscheinlich vor drei Jahrhunderten entstanden ist oder vor fünf oder vor sieben und so weiter, aber es gibt keine Gewähr als wie bei den Edelsteinen, wo du durch eine Lupe anschaust und siehst sofort ob du einen Rubin in der Hand hast oder ein Stück rotes Glas, was einen Dreck wert ist.
Aber wenn man bloß die Schrifft untersuchen kann um rauszukriegen wie alt ein Manuscript ist, sag ich, dann konnte Poggio wann er die originale Handschrifft vorgeführt hat, jedem einen blauen Dunst vormachen, denn er konnte die alten Schrifften vortrefflich nachahmen, nicht wahr? Und wenn er wollt konnt er sie sogar perfekt imitiren, und außerdem war ihm erlaubt zu sagen, dies hier ist antik und das da nicht, und alle haben’s ihm geglaubt, stimmt’s? Ciolek sagt, tja, du hast Recht, diese Vermutung zeigt mir dass Lionardo sich auch auf diesem Gebiet welches gar nicht das seine ist als ein großer Geist bewährt, nemlich Poggio war wirklich ein Fachmann für antike Schrifften und sehr geschätzt von allen, weshalb seine Meinung immer viel Gehör fand, und drum ist das was Lionardo denkt durchaus möglich. Da sag ich, verzeiht mir, Signior Exzellenz Ciolek, dass ich offen sprech, aber ich geb Euch ja nur wieder was Lionardo gesagt. Diese Germania von Tacitus scheint ihm eine ausnehmend lächerliche Erfindung zu sein und sonderlich scheint sie eigens gemacht um die Antikisten von Straßburg in Aufruhr zu versetzen die bloß drauf gewartet haben endlich sagen zu können Teutschland und Straßburg sind das Allergrößte und Beste, wie zu Zeiten der alten Germanen die zwar grob aber ehrlich und tapfer waren, wogegen Rom ein verderbter Sauhaufen ist und ein Nest von Gaunern, grad so wie schon Tacitus hat geschrieben.
Erst hat Ciolek geschwiegen, doch dann hat er geantwortet dass die Gedanken von Lionardo vielleicht ein bisschen kühn sind aber ist was Richtiges dran, und er erklärt mir dass Poggio wirklich manchmal sagte er hätt die Handschrifft von einem antiken Verfasser abgeschrieben, aber das Original das er angeblich kopirt hatt, man weiß nicht wieso und warum, das war nicht mehr zu finden, und darum wurde die Kopie von Poggio oder von seinen Freunden sowas wie ein neues Original. Eine zimlich seltsame Angelegenheit, in der Tat, sagt Ciolek, nemlich in der Nähe von Straßburg gab es auch Werkstätten wo antike Handschrifften kopirt wurden und da wurde grad auf dieselbe Weise gearbeitet. Zur Zeit von Poggio Bracciolini war in Teutschland der Buchdruck noch nicht erfunden, und so gab’s Schreibstuben die antike Handschrifften kopirten und sie verkauften. Die wichtigste war in der Gegend um Straßburg, wer hätt das gedacht, und gehörte einem gewissen Diebold Lauber aus der Stadt Hagenau (auch diesmal hab ich mir die Namen von Ciolek aufschreiben lassen, damit ich keinen Feler mach).
Dieser Name Diebold Lauber hat mir gleich nicht gefallen, ich weiß auch nicht warum. Diebold hatte mehrere Schreiber wo für ihn arbeiteten und kopirten die Handschrifften die er dann in vielen Städten verkaufte, und verdiente einen schönen Batzen Geld damit. Damit die Leute erfuhren was er alles anbieten konnt, schickte Diebold Billetts herum mit einer Liste von den Werken die er schon abgeschrieben oder von seinen Schreibern hatte kopiren lassen, und dann bekam er die Aufträge, und manchmal ließ er auch auf Bestellung kopiren. Aber man konnte auf keinen Fall genau wissen ob es die Handschrifft die bei Diebold kopirt wurde wirklich gab, und man musste dem vertrauen was er sagte. Die
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