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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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gesehen worden. Ein alter Mann habe ihn an der Hand geführt.
    Hamilkar stand zuerst da wie vom Schlage gerührt. Doch er begriff rasch, dass alles Leugnen vergeblich wäre. Er verneigte sich und führte sie in das Verwaltungshaus. Sklaven, die auf einen Wink herbeigeeilt waren, bewachten die Umgebung.
    Ganz verstört betrat er Salambos Gemach. Er ergriff Hannibal mit einer Hand, riss mit der anderen die Saumschnur eines daliegenden Gewandes ab, band den Knaben an Händen und Füßen, stopfte ihm das Ende als Knebel in den Mund und verbarg ihn unter dem rindsledernen Lager, über das er eine große Decke bis zum Fußboden breitete.
    Dann schritt er auf und ab, rang die Arme, drehte sich im Kreise herum und biss sich auf die Lippen. Endlich blieb er mit stieren Blicken stehen und atmete schwer, als ob er dem Tode nahe sei.
    Plötzlich klatschte er dreimal in die Hände.
    Giddenem erschien.
    â€žGib acht!“ befahl er ihm. „Suche unter den Sklaven einen Knaben im Alter von acht bis neun Jahren mit schwarzem Haar und gewölbter runder Stirn und bring ihn hierher! Aber sofort!“
    Giddenem kehrte bald zurück und brachte einen Knaben mit, ein armseliges Kind, mager und dabei aufgedunsen. Seine Haut sah ebenso grau aus wie die hässlichen Lappen, die um seine Hüften hingen. Sein Kopf steckte zwischen den Schultern. Mit dem Handrücken rieb er sich die Augen, die voller Schmutz waren.
    Wie hätte man diesen Jungen je mit Hannibal verwechseln können! Doch es war keine Zeit mehr, einen anderen zu holen. Hamilkar blickte Giddenem an. Am liebsten hätte er ihn erwürgt.
    â€žPack dich!“ schrie er.
    Der Sklavenaufseher verschwand.
    So war das Unglück, das er so lange gefürchtet, also hereingebrochen! Er gab sich die erdenklichste Mühe, einen Ausweg zu ersinnen.
    Abdalonim war hinter der Tür hörbar. Man verlangte nach dem Sufeten. Die Schergen Molochs seien ungeduldig.
    Hamilkar unterdrückte einen Schrei. Es war ihm, als wenn er mit glühendem Eisen gefoltert würde. Von neuem begann er wie ein Rasender im Zimmer auf und ab zu laufen. Dann brach er am Geländer zusammen und presste die Stirn in seine geballten Fäuste.
    Die Porphyrwanne enthielt noch etwas klares Wasser für Salambos Waschungen. Trotz seines Widerwillens und all seines Hochmutes tauchte der Sufet das Kind eigenhändig hinein und begann es wie ein Sklavenhändler zu waschen und mit Bürsten und mit rotem Ocker zu reiben. Dann entnahm er den Wandschränken zwei viereckige Stück Purpur, legte ihm eins auf die Brust, das andere auf den Rücken und befestigte sie über den Schlüsselbeinen mit zwei Diamantspangen. Er goss dem Jungen noch Parfüm über den Kopf, legte ihm eine Bernsteinkette um den Hals und zog ihm Sandalen mit perlengeschmückten Absätzen an, die Sandalen seiner Tochter. Dabei stampfte er vor Scham und Wut. Salambo, die ihm eifrig behilflich war, sah ebenso blass aus wie er. Das Kind lachte, entzückt über all die Herrlichkeiten. Es wurde dreister und begann in die Hände zu klatschen und zu springen. Da zog Hamilkar es fort. Mit starker Hand hielt er es am Arme fest, als fürchte er, es zu verlieren. Da dies dem Kinde weh tat, begann es zu weinen, während es neben ihm herlief.
    In der Nähe des Gefängnisses, unter einem Palmenbaum, stammelte eine klägliche flehende Stimme: „Herr! Ach, Herr!“
    Hamilkar wandte sich um und erblickte neben sich einen widerlich aussehenden Menschen, einen der Arbeitsunfähigen, die im Hause hinvegetierten.
    â€žWas willst du?“ fragte der Sufet.
    Der Sklave, wie Espenlaub zitternd, stotterte: „Ich bin sein Vater!“
    Hamilkar schritt weiter. Der Mensch folgte ihm mit gekrümmtem Rücken, schlotternden Knien und vorgestrecktem Halse. Unsägliche Angst verzerrte sein Gesicht. Unterdrücktes Schluchzen erstickte seine Stimme. Es drängte ihn gleichzeitig, den Sufeten zu fragen und ihn um Gnade anzuflehen.
    Endlich wagte er, ihn mit einem Finger leicht am Ellbogen zu berühren.
    â€žWillst du ihn ...“
    Er hatte nicht die Kraft, zu vollenden, und Hamilkar blieb stehen, ganz verwundert über diesen Schmerz.
    Nie hatte er daran gedacht – so groß war der Abstand zwischen Herrn und Sklaven! –, dass es zwischen ihnen etwas Gemeinsames geben könne. Das erschien ihm geradezu als eine Beleidigung, eine Schmälerung seiner Vorrechte.

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