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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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warteten darauf, hervorzustürzen, sobald die Haken der Fallbrücken die Mauer gefasst hätten. Hinter den Schießscharten drehten sich die Stränge der Ballisten, und die Balken der Schleudergeschütze gingen hoch und nieder.
    Hamilkar stand in diesem Augenblick auf dem Dache des Melkarth-Tempels. Er hatte berechnet, dass die Helepolis gerade auf ihn zukommen und gegen eine unbesteigbare Stelle der Mauer anrennen musste, die eben deswegen nur schwach besetzt war. Schon seit geraumer Zeit trugen seine Sklaven Schläuche voll Wasser auf den Wallgang, auf dem sie an der bestimmten Stelle aus Lehm zwei Querwände errichtet hatten, wodurch eine Art Becken entstanden war. Das Wasser sickerte unmerklich in die Erde des Walles, aber Hamilkar schien dies seltsamerweise nicht zu beunruhigen.
    Als die Helepolis nur noch etwa dreißig Schritt entfernt war, ließ er von den Zisternen bis zum Wall über die Straßen hin von Haus zu Haus Bretter legen. Eine Kette von Leuten reichte sich von Hand zu Hand Helme und Krüge voll Wasser, die sie in das Becken hinein gossen. Die Karthager entrüsteten sich über diese sichtliche Wasservergeudung. Der Widder zertrümmerte die Mauer. Da quoll ein Wasserstrahl aus den gelockerten Quadern hervor, und das neunstöckige gepanzerte Gerüst, das mehr als dreitausend Soldaten barg, begann leise zu schwanken wie ein Schiff. Das Wasser, das durch die Bresche heraus quoll, weichte den Boden vor der Helepolis auf. Alsbald blieben die Räder im Morast stecken. Im ersten Stockwerke tauchte hinter einem der Schutzleder der Schießscharten der Kopf des Spendius auf, der aus vollen Backen in ein Elfenbeinhorn stieß. Die Riesenbatterie kam ruckweise wohl noch zehn Schritte weiter, dann aber wurde der Boden weicher und weicher. Die Räder versanken bis an die Achsen, und schließlich stand die Helepolis still und neigte sich bedrohlich nach einer Seite. Die schweren Geschütze in den unteren Stockwerken schoben sich von ihren Plätzen und nahmen dem Turm noch mehr sein Gleichgewicht. Eins brach durch und richtete arge Zerstörung im Innern an. Die Soldaten, die schon an den Fallbrücken standen, wurden herausgeschleudert oder klammerten sich draußen an und vermehrten so durch ihr Gewicht die Neigung des Ungetüms, das in allen Fugen krachte und schließlich zusammenbrach.
    Andere Barbaren eilten herbei, um zu helfen. Es bildete sich ein dichter Menschenknäuel. Da machten die Karthager vom Wall herab einen Ausfall, fielen ihnen in den Rücken und machten sie nieder. Jetzt brausten die Sichelwagen heran. Sie galoppierten im Kreise um das Gewirr herum. Die Karthager flohen auf ihre Mauern. Die Nacht brach an. Nach und nach zogen sich die Barbaren zurück.
    Auf der Ebene erblickte man vom bläulich schimmernden Golf bis zu der weißen Lagune nichts als ein rabenschwarzes Gewimmel, und das blutrote Haff dehnte sich in das Land hinein wie ein großer Purpursumpf.
    Der Erdwall war so mit Toten bedeckt, dass er aus Menschenleibern errichtet schien. Vor seiner Mitte ragten die Trümmer der Helepolis, Waffen und Rüstungen darüber. Von Zeit zu Zeit lösten sich große Bruchstücke von ihr ab, wie die Steine von einer zusammenstürzenden Pyramide. Auf den Mauern waren breite Streifen sichtbar, wo das geschmolzene Blei geflossen war. Hier und da brannte ein umgerissener Holzturm. Das Häusermeer verschwamm im Dunkel und sah aus wie die Stufen eines zerstörten Amphitheaters. Schwere Rauchschwaden stiegen empor und wirbelten Funken in die Höhe, die sich am schwarzen Himmel verloren.
    Inzwischen waren die Karthager, vom Durst verzehrt, nach den Zisternen gestürzt. Sie brachen die Zugänge auf. Schlammpfützen standen auf dem Grund der Becken.
    Was sollte nun werden? Der Barbaren waren unzählige. Sobald sie sich erholt hatten, würden sie wieder anstürmen!
    Das Volk beriet die ganze Nacht hindurch, stadtviertelweise, an den Straßenecken. Die einen meinten, man müsse die Weiber, die Kranken und Greise fortschicken. Andere schlugen vor, die Stadt zu verlassen und sich in einer fernen Kolonie anzusiedeln. Doch die Schiffe fehlten, und als die Sonne aufging, war noch kein Entschluss gefasst.
    An diesem Tage wurde nicht gekämpft. Die Erschöpfung auf beiden Seiten war zu groß. Die Schlafenden sahen aus wie Tote.
    Die Karthager sannen über die Ursache ihres Unglücks nach. Da fiel ihnen ein, dass

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