Salamitaktik
Gelüste. Seine Pläne hatte er nur ausgefeilt, weil es ihn so erregte. Franziska hingegen hatte sie für bare Münze genommen.
Sie hatte das Zeug genommen, sich zur Ladies Night gestohlen und es Tamara gespritzt. Die Kanüle war äuÃerst fein. Wenn Tamara überhaupt etwas gemerkt hatte, konnte sie sich höchstens kurz gefragt haben, was das war. Spritze rein, ein ganz leichter Druck, Spritze raus, in nur Bruchteilen einer Sekunde. Bei Einsetzen der Wirkung hätte sie sich zunächst nur etwas unwohl gefühlt und sich ein Taxi gerufen, um nach Hause zu fahren. Wäre das passiert, hätte er immerhin noch seinen Plan umsetzen können. Er hätte sie ins Bett verfrachtet, alle Spuren gelegt, wäre noch einmal in die Praxis gefahren, um dort lange mit Franziska zu »arbeiten«, und hätte bei seiner Rückkehr daheim die tote Tamara gefunden. Probleme hätte er höchstens deswegen bekommen, weil er das Botox nicht sicher genug lagerte, sodass seine Frau es stehlen konnte.
Aber nein, Tamara war für diese Kosmetik-Behandlung ausgewählt worden. Ausgerechnet sie hatte diese blöde Gesichtsmaske bekommen und vor aller Augen eine Extremreaktion wegen ihrer Allergie gehabt. Als sie danach im Krankenhaus gestorben war, hatte er das noch als Glück angesehen, weil in der ganzen Hektik das Toxin nicht festgestellt und die Symptome der Allergie zugeschrieben worden waren. Er hatte selbst dafür gesorgt, dass niemand zu intensiv nachschaute. Man kannte ihn. Warum sollte irgendjemand zweifeln, wenn er die Symptome als typisch für seine Frau einordnete? Nur seien sie noch nie so heftig gewesen. Und dann war Schönhorst gekommen. Perfekt. Trotz des Mundwassers hatte man seine Fahne riechen können, und die Leichenschau war ein kurzer Schulterblick geworden.
Als am Morgen danach dieser erste Polizist bei ihm aufgetaucht war, Faller, war er sich sicher gewesen, dass er ungeschoren aus der Geschichte herauskommen würde. Aber dann musste dieser Schlageter auftauchen. Wie hatte es zu einer Obduktion kommen können, ohne dass er darüber informiert worden war? Schwanger! Dieses Miststück hatte ihn betrogen. Wer war der Kerl? Jemand aus dem Tennisclub? Kannte er ihn vielleicht sogar?
Eines jedenfalls war sicher: Das Kind konnte nicht von ihm sein. Brockmann war unfruchtbar. So unfruchtbar wie ein Korn, das nur aus einer Hülse besteht. Franziska wusste das nicht, Tamara allerdings schon. In den ersten Jahren ihrer Ehe hatten sie sich Kinder gewünscht und bei einer Untersuchung die traurige Wahrheit erfahren. Tamara hätte ihm nicht einmal einen Kuckuck unterjubeln können. Seither war es bergab gegangen mit ihrer Beziehung. Dass er sie nicht befruchten konnte, schien ihr auch die Lust genommen zu haben, mit ihm zu schlafen. Sie wurden beide immer gereizter, stritten anfangs noch heftig, bis sie sich dann irgendwann sogar so egal waren, dass sie nicht einmal mehr Wut als Emotion füreinander empfanden. Nur noch Langeweile. Was ihn am meisten erschütterte, war die Tatsache, dass er spätestens in einem Monat von ihrer Schwangerschaft erfahren hätte. Dann wäre er sie ohnehin los gewesen. Er hätte sie rausgeschmissen, und sie hätte keinen Cent von ihm bekommen.
Franziska riss Brockmann aus seinen Gedanken, indem sie sich an seiner Hose zu schaffen machte.
»Willst du mich?«, fragte sie.
Er wollte. Aber vorher zog er noch eine Nase durch.
Als sie anschlieÃend hechelnd auf dem Küchenboden lagen, war Brockmann vollkommen aufgedreht. Er würde es hinbekommen. Niemand würde einen Beweis gegen ihn finden. Jeder achtete ihn. Die Menschen brauchten ihn. Ihm war unterbewusst klar, dass die Droge noch wirkte und ihm diese Zuversicht schenkte, aber es war gut so. Er fühlte sich wie ein Gott, der kein Leben, aber Schönheit schenken konnte.
»Wir schaffen das«, sagte er zu Franziska, die sich in seinen Arm gekuschelt hatte.
»Ich liebe dich«, erwiderte sie.
»Ich dich auch«, war seine automatische Antwort.
»Wir stehen das zusammen durch, oder?«
»Ja, Franzi, ja.«
»Ich muss dir was sagen â¦Â«
»He, was? Hast du noch jemanden umgebracht?« Er lachte kalt.
»Nein. Es ist etwas Schönes. Ich bin schwanger. Wir bekommen ein Kind.«
Brockmann sagte nichts dazu.
*Â *Â *
Nach etwas mehr als einer Stunde Wartezeit im Auto machte sich bei Schlageter der Kaffee bemerkbar.
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