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Sally

Sally

Titel: Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Päsler
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nächsten Apotheke auf unserer Liste gehalten, sondern war mit schelmischem Lächeln in die Innenstadt gefahren. Gekonnt hatte er den Lexus eingeparkt. Der Luxusschlitten stand ihm gut. In gespielt dramatischem Tonfall hatte er gemeint, es handle sich um eine streng geheime Mission. Wir hatten beide gekichert. Er hatte mich durch die Fußgängerzone geführt, mir bewundernde Blicke zugeworfen und unerhörte Komplimente ins Ohr geflüstert. Auf offener Straße hatten wir geknutscht wie Teenager. »Amore mio«, hatte er leise gesungen. Ich hatte mich schön und begehrenswert gefühlt. Wie eine Frau. Wie seine Frau.
    »Brauchst du noch lange?«
    Anton klopfte an die Badezimmertür. Lächelnd ließ ich die Streichholzschachtel in meiner Tasche verschwinden.
    »Ich komme gleich.«
    Nach seiner italienischen Musikdarbietung – einige Passanten hatten uns amüsiert beobachtet – hatte mich Anton in einen Luxusladen gebeten. Noch nie zuvor hatte ein Mann für mich ein Kleid gewählt, es in meiner Größe reserviert und mir hineingeholfen. Anton hatte applaudiert, als ich vor ihm einen imaginären Catwalk entlangstolziert war, und danach hatten wir bei einem kleinen romantischen Italiener mit Bellini angestoßen.
    Mit leuchtend roten Lippen öffnete ich die Badezimmertür. Anton hatte seine Jacke noch nicht angezogen.
    »Wollen wir?«
    Er senkte seinen Blick.
    »Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll«, meinte er. »Die Wahrheit ist, ich kann nicht mehr.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete.
    »Meine Frau, weißt du, sie ahnt nichts. Und die Kinder, ich kann das nicht. Ich hab ein furchtbar schlechtes Gewissen. Ich halte das einfach nicht mehr aus. Und ich weiß, ich kann und werde sie nie verlassen.«
    Peng. Ich fühlte mich, als würde ich tot umfallen.
    Da war er wieder, dieser dumpfe Schmerz im Magen. Ein seltsam vertrautes Gefühl.
    »Elke, bitte verzeih mir. Es fällt mir ja auch nicht leicht. Mit dir ist es so unheimlich schön …«
    Mir wurde übel. Oder war ich wirklich schon tot? Ich fiel, ganz langsam.
    Anton schaute mir in die Augen. Dabei war er so verdammt überzeugend. Und distanziert. Ich konnte nicht sprechen.
    Ja, wir waren beide verheiratet. Wir hatten beide einem anderen Menschen vor dem Altar Treue geschworen. Aber das warin einer anderen Welt gewesen, in einem anderen Leben, oder nicht? Anton hatte mich eben mit knappen Worten fallen gelassen. Amore mio! Was hatte ich mir bloß vorgemacht?
    Ich saß in meinem Auto. Die Landschaft zog stumm an mir vorbei. Die Welt wirkte wie ausgestorben. In meinem Kopf war die Hölle los. Ich nahm die Abzweigungen automatisch. Ich war selber schuld. Ich hätte mich nicht mit einem Windhund wie Linnerth einlassen dürfen. Ich hielt an, weil ich mich übergeben musste.

11
    MÄRZ 2009. Das Haus empfing mich mit gähnender Leere. Ich war schon lange nicht mehr so früh daheim gewesen. Mit mechanischen Bewegungen deckte ich den Tisch. Drei Gedecke. Es gab nur noch Nudeln von gestern. Ich würde mich ein bisschen hinlegen. Später würde ich mir einen neuen Plan zurechtlegen. Irgendetwas würde mir einfallen. Irgendwas war mir noch immer eingefallen.
    Mein Körper tat weh. Es fühlte sich an, als würde mir ein zu enges Korsett den Atem rauben. Plötzlich war ich wieder dreizehn Jahre alt. Damals hatte ich ein medizinisches Korsett tragen müssen. Mein Körper wurde hineingepresst, weil er sich sonst falsch entwickelt hätte. Die Jungen in der Klasse hänselten mich für den Plastikpanzer unter meinen Kleidern. Wenn sie mich umstießen und ich auf den Rücken fiel, kam ich ohne fremde Hilfe nicht mehr hoch. Dann lag ich da wie ein Käfer am Rücken, hilflos mit Armen und Beinen strampelnd.
    »Elke?«
    Mario rüttelte mich wach.
    »Was ist los mit dir, Elke? Wie siehst du denn aus?«
    Draußen war es stockdunkel. Ich hatte mindestens drei Stunden geschlafen. Die Kinder stritten schon wieder lauthals. Marios Stimme dröhnte in meinen Ohren. Es klang, als hätte er Angst um seine neue Einkommensquelle. So fühlte ich mich: wie eine versiegende Quelle, leer und nutzlos. Die ganze Tristesse der Wirtschaftskrise hatte mich mit einem Schlag wieder.
    »Hast du schon gegessen?«, fragte Mario.
    »Nein«, stammelte ich matt. »Alles okay. Ich muss wohl kurz eingeschlafen sein.«
    »Wieso ist nur für drei gedeckt?«
    Auf einmal klang er wieder aggressiv.
    »Woher hätte ich wissen sollen, dass du nach Hause kommst?«, fragte ich.
    »Jetzt reicht es mir langsam«, fauchte

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