Sally

Titel: Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Päsler

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und wuchsen zu einer Familie zusammen.
    Karim und die Kinder liefen vor mir den Hang zum Meer hinab. Von hinten sah es ein bisschen aus, als wären es drei Kinder. Ich schüttelte den Kopf und lächelte ungläubig. Dann gab ich mir selbst einen Ruck und schloss mich ihnen an. Ich rannte los. Der Weg unter mir war steinig, aber meine Füße waren ganz leicht.
    Die Freiheit tat mir gut und das Wichtigste war, dass die Kinder glücklich und entspannt wie nie zuvor waren. Zu lange hatte ich alles gegeben, um meine missglückte Ehe mit Mario krampfhaft aufrecht zu erhalten. Jetzt konnte ich meine kleine Familie selbst erhalten und war dankbar dafür. Ich war stolz auf mich, und wenn ich in den Spiegel blickte, sah ich eine starke Frau. Ich wusste, dass meine Gratwanderung noch nicht zu Ende war, aber ich hatte gelernt, gut darauf zu achten, wohin ich trat. Und wenn mir einmal die Augen vor Müdigkeit zufielen, dann war Karim da, um mich aufzufangen.
    In Augenblicken tiefer Zufriedenheit konnte ich darüber nachdenken, wie ich es bis hierher geschafft hatte. Ich hatte um meine Weiblichkeit gekämpft. Ich hatte sie gefeiert und sie verteidigt, als man sie mit Füßen trat. Manchmal hatte ich mich unendlich stark gefühlt und manchmal auch ganz schwach. Ich hatte versucht, nach meinen Werten und Prinzipien zu leben, aber es war mir nie ganz gelungen. Einmal hatte ich sie verteidigt und dann wieder verleugnet und verraten. Ich hatte viele Umwege gemacht. Oft wusste ich an den Gabelungen nicht, wo es weiterging und musste tief in den Abgrund blicken. Bloß meine Weiblichkeit hatte ich unterwegs nie verloren. Sie war einSchatz, der sich weder in Gold noch in Juwelen aufwiegen ließ. Sie war auch mein Kapital und meine Mission. Ich betrachtete sie als mein Geschenk an die Welt – an eine Welt, die nicht mehr richtig funktionierte und die immer noch und auf immer neuen Ebenen unter ökonomischen Erschütterungen bebte.
    Durch den nahen Kontakt zu fremden Männern bei meiner Arbeit hatte ich gelernt, dass den meisten Männern etwas Wesentliches fehlt. Sie suchen viel eher Zärtlichkeit und Zuwendung als knallharten Sex, und das viel mehr, als ihnen ihr Rollenbild zugesteht. Deshalb kommen sie zu mir und anderen Frauen, die vergleichbare Dienstleistungen anbieten. Sie suchen nach Frauen, die aufmerksam, ehrlich und warm sind in dieser gnadenlosen Männergesellschaft, in der die Männer selbst zu erfrieren drohen. Diesen Männern fehlt Energie, Lebensfreude und jene Kraft, die nur tief im Inneren eines Menschen entstehen kann. Ich nenne diese Kraft Liebe.

11
    DEZEMBER 2010. Ich will mich nicht entschuldigen. Nicht dafür, dass ich mich am Höhepunkt meiner Krise für die illegale Prostitution entschieden habe. Es war damals die einzige Möglichkeit. Es war die einzige Option und genaugenommen auch in juristischer Hinsicht die bessere. Denn auf illegale Prostitution steht in Österreich nur eine Verwaltungsstrafe, für nicht bezahlte Schulden droht Gefängnis. Ich will mich auch nicht dafür entschuldigen, dass ich irgendwann begonnen habe, eine Berufung in diesem Beruf zu suchen und so etwas wie Erfüllung, Anerkennung und Bestätigung. Ich weiß, dass das gegen die kollektiven Vorstellungen von der Prostitution verstößt, in der Liebesdienerinnen ausschließlich Opfer oder Täterinnen sein dürfen. Doch mir wies letztlich diese Suche den Weg aus der Hölle.
    Ich bin Tantra-Energetikerin und habe die Visionen, in Zukunft noch mehr mit Zärtlichkeit und Liebe zu arbeiten. Ich habe kein Problem damit, meine Dienste im Internet unter all den Prostituierten anzubieten, die unreflektiert ihre Körper hingeben, ohne zu wissen, was sie sich dabei antun und was sie ihren Kunden letztendlich vorenthalten. Denn ich habe eben verstanden, dass sehr viele der Männer, die dort vorbeischauen, in Wirklichkeit auf der Suche nach Zärtlichkeit sind. Für sie will ich eine Tankstelle für reine positive Energie sein.
    Ich informiere mich ständig über neue liebevolle Formen der Massage und entwickle neue Programme für Männer und für Frauen. Bei jeder Massage lerne ich neue menschliche Regungen, Nervenverknüpfungen und Reaktionen kennen. Nach wie vor bringen manche meiner Kunden ihre Partnerinnen oder Partnermit, und ich lehre sie, wie sie sich gegenseitig glücklich machen können. Ich gebe mein Wissen und mein Können gerne an alle weiter, die dafür offen sind und die wie ich an die Liebe glauben. Je großzügiger sich meine Erfahrungen auf