Salomes siebter Schleier (German Edition)
bekam sie ihre Emotionen wieder unter Kontrolle. Intuitiv wusste sie, dass Boomer sich bereits auf dem Rückweg nach Jerusalem befand. Eine innere Stimme jammerte, dass er wahrscheinlich gerade lang genug geblieben war, um die blöde Ultima zu bumsen, aber dann schalt sie sich selbst – sie hatte wirklich Nerven, sich über so was aufzuregen, wenn sie auf demselben Sofa saß, wo Spike und sie … Ellen Cherry schob die ganze Sache beiseite. Sie begann wieder zu lachen und trank einen Schluck Rum.
Dann wählte sie erneut. «David Davis, Künstlerzubehör», meldete sich eine kauzige Stimme. Es war der alte Dave selbst. Offensichtlich war Dave Davis, der Besitzer ihres Lieblingsgeschäfts für Pinsel und Farben (nicht zu verwechseln mit Mel Davis, beim Anblick von dessen Hundeboutique sich ihr jedes Mal der Magen umdrehte), nicht in einer Besprechung.
Ellen Cherry warf einen Blick auf die Uhr im Büro. Es war 14 . 30 Uhr am Tag vor Thanksgiving. «Haben Sie noch auf?», fragte sie.
«Darauf können Sie wetten, Ma’am.»
«Ich bin gleich da.»
Ein letzter Schluck Rum, dann verließ sie Spikes und Abus Umlaufbahn um den Pales, winkte einem Taxi und fuhr zur Ecke Bleecker und Lafayette, um das Geld für ihre Miete im Einzelhandelssektor der Privatwirtschaft zu investieren.
Viele New Yorker Künstler zogen das Pearl Paints auf der Canal Street, Ecke Broadway vor, aber für Ellen Cherry kam nur David Davis in Frage. Ihr gefiel es, dass der Laden alt, muffig und schlecht beleuchtet war. Ihr gefiel auch, dass der alte Dave persönliche Beziehungen zu Künstlern unterhielt und dass die Angestellten, die gewöhnlich zu beschäftigt waren, um sich um sie zu kümmern, schwarze Trainingsanzüge trugen, als seien sie Bühnenarbeiter in einem mit Künstlerbedarf vollgestopften Kabuki-Theater. Es war die Art Geschäft, von dem sie geträumt hatte, als sie noch ein kleines Mädchen in Colonial Pines war – ein Ort, nicht ganz von dieser Welt, der die Tapferen und die Auserwählten für ihre magische Suche ausstattete.
Es gab einen Raum bei David Davis, der nur Pinseln vorbehalten war. Zu Hunderten lagen sie in allen Größen und Formen in der unterirdischen Düsterkeit, und ihre schimmernden Borsten sträubten sich dem Käufer entgegen, als stelle sich dieser vor einem Publikum von Igeln zur Schau. Immer wenn sie den Pinselraum betrat, fühlte sich Ellen Cherry wie eine Motte, die in einen Pelzmantel geflattert war. Heute suchte sie ein rundes Dutzend feiner Zobelpinsel aus, die meisten davon breiteren Kalibers, und jedes Mal, wenn sie aufstoßen musste, kam ihr eine halbe Tasse Napalm hoch.
Ein Verkäufer, der in den Raum glitt, als sei er im Begriff, ein Stück Kulisse beiseitezuschieben, damit kostümierte Samurai gegen Streichmesser kämpfen konnten, fragte tatsächlich, ob er ihr behilflich sein könne. Das Geschäft war ungewöhnlich leer. Es gab keine hektischen Einkäufe in letzter Minute bei David Davis, keine Kochkünstler auf der Suche nach Material, mit dem sich das Erscheinungsbild eines Truthahns aufmöbeln ließ.
Sie ging weiter in die Farbenabteilung. Jetzt begann der eigentliche Spaß. Ohne auf den Preis zu achten, fing sie an, große Farbtöpfe mit Acrylfarben aus den Regalen zu ziehen. Und immer wieder aufstoßend – ihre Speiseröhre schmorte wie eine aufgeweichte Zündschnur –, rezitierte sie die Namen der Farben, die sie in den Einkaufskorb legte.
«Indischrot», sang sie, «Marsrot, Venezianischrot, Kadmiumorange, Zinnoberrot und Krapprosa.» Es gab Krapprot, Magentarot und den Stachel im Fleisch der Sündigen, Schwester Terra Rosa.
Es gab Kobaltblau, Cölinblau, Preußischblau, Ultramarinblau und, gewürzt mit einem Hauch Knoblauch, Französisches Ultramarinblau.
«Hansagelb.» Sie liebte den Klang dieser Farbe so sehr, dass sie ihn wiederholen musste. «Hansagelb» (Schutzheiliger gelbsüchtiger Pianisten). Dann Zinkgelb, Zitronengelb, Lichter Ocker, Marsgelb, Neapelgelb und Chromorange.
Echtviolett, Kobaltviolett, feuriges Violett, Kobaltlila, Purpurviolett.
Als Nächstes der Albtraum jungverheirateter Hausfrauen, Verbranntes Siena («Mach dir nichts draus, Darling, wir bestellen uns eine Pizza»), Siena natur, Van-Dyck-Braun, Madderbraun, Kupferbraun, Silber, Goldgelb und Paynesgrau.
«Chromoxidgrün, o Chromoxidgrün! Grüne Erde, Kadmiumgrün, Hookersgrün» (Schutzheilige aller jungen Prostituierten) «und Saftgrün» (Schutzheiliger grüner Wähler).
«O besinge das
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