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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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die tanzende Esel.»
    «Wenn sie das tun, fress ich einen Besen», sagte Ellen Cherry. «Nun ja, jedenfalls freut mich eure Entscheidung. Es ist ein Werk, das geprägt ist von der verstörenden Poetik des Raumes. Ich meine damit, dass die implizite Vorstellung von vereinheitlichter Form im Raum durch die Präsenz dreier unabhängiger Komponenten – Felsen, Landkarte und Gestalt –, die nur unterschwellig in Verbindung miteinander stehen, spielerisch jedoch den konstanten Ansturm von Bildern und ihrer Bedeutung auf das menschliche Bewusstsein zurückwerfen, sozusagen gesprengt wird.»
    Spike und Abu musterten sie von oben bis unten.
    «Hu, was für eine Begriff von die
tychnik
», sagte der eine.
    «Was hat ein Mädchen wie Sie eigentlich in der Gastronomie verloren?», meinte der andere.
    «Aber keiner von euch hat mir bisher gesagt, was ihr von meinem Wandgemälde haltet.»
     
    Um die Wahrheit zu sagen, sie waren sich selbst nicht so ganz sicher, was sie davon hielten. Gewiss wäre es ihnen nicht in den Sinn gekommen, die Wand zu verhängen oder zu überstreichen, denn das hätte Ellen Cherry verletzt, und außerdem mussten sie zugeben, dass der Raum durch das Gemälde Farbe und Leben gewann. Ob sie es verstanden oder nicht, es aus tiefstem Herzen schätzen konnten oder gegen Angriffe von Dritten verteidigen würden – das war eine ganz andere Frage.
    Und tatsächlich ließen spitze Bemerkungen nicht lange auf sich warten. Beim Personal und bei den Stammgästen gab es einige, die von dem Bild begeistert waren, viele, die sich die Sache leicht machten und es einfach ignorierten, und manche, die sich hinsichtlich ihrer Vorstellungen von Kunst und Realitätswahrnehmung vor den Kopf gestoßen fühlten. Bei verschiedenen Gelegenheiten gerieten sowohl Abu als auch Spike in die Klauen der beiden Lager, allerdings selten länger als eine Stunde.
    Als ein britischer UN -Delegierter meinte: «Das hätte meine siebenjährige Tochter malen können», reagierte Ellen Cherry eisig und mit der einzigen Antwort, die auf diesen abgedroschensten und dümmsten aller Kommentare zur Kunst möglich ist:
    «Vielleicht hätte sie. Aber sie hat nicht. Und ich habe!»
    Während der Cocktailstunde am Freitag, als sich die Bar füllte, zogen die Stammgäste Ellen Cherry mit ihrem Bild auf, viele unbekümmert, alle uninformiert. Nach einer besonders abfälligen Bemerkung des fetten ägyptischen Arztes stand Detective Shaftoe auf, hob seine Bierdose, wies auf das Gemälde und sagte leise, aber äußerst nachdrücklich:
    «Museumsqualität.»
    Dann setzte er sich wieder.
    Der mürrische, untersetzte Schwarze mit dem weißen Haar und der mehrmals gebrochenen Nase war dafür bekannt, dass er nur dann den Mund aufmachte, wenn er wirklich etwas zu sagen hatte. Die anderen respektierten seine Meinung. Wenn Shaftoe erklärte, das Bild gehöre in ein Museum, gab es niemand im Raum, der etwas dagegen einzuwenden wagte. Trotzdem neigte die Mehrheit in der Bar der Meinung des Barkeepers zu, der nach einer respektvollen Pause sagte:
    «Wahrscheinlich geh ich deswegen nich in Museums.»
    «In Museen», verbesserte ihn Dr. Farouk. Can o’ Beans wäre begeistert gewesen.
     
    Das Auge des Betrachters drang durch den Schnabel einer Eule in das Bild ein. Es war eine Hommage an die Nacht. Obgleich die Szene, wenn man sie denn als Szene bezeichnen konnte, in einem Raum spielte, waren die Sterne deutlich sichtbar, und auf den Möbeln klebten Tupfer von Mondschaum.
    Durch ein diamantförmiges Fenster erkannte man schnarchende Tiere auf einem Hügel.
    Es gab ins Auge fallende architektonische Anklänge, doch ließ sich das Bild, wenn man es denn als Bild bezeichnen wollte, auch als Landschaft lesen. War das nicht eine Eiche, in deren Schatten der Herd stand, und waren es nicht Mistelzweige, die sie zu ersticken drohten?
    Unbekümmert und großzügig war die klebrige, zähe Farbe aufgetragen worden, und doch kündete die Stimmung, die sie erzeugte, nicht vom Luxus unserer Zeit, sondern von präindustrieller Größe, von der schwarzen, schlammigen, verrauchten Herrlichkeit eines Lebens am Rande ausgedehnter Wälder. Von pastoraler Pracht. Von einem Holzfällerball.
    Nicht nur, dass die Bildsymbolik auf die Wiederentdeckung einer vergessenen Vergangenheit anspielte, sie schien auch andeuten zu wollen, dass diese «verlorene» Vergangenheit ein vollkommener Ausdruck für die urbane Sensibilität der heutigen Zeit war. Woher waren denn die Städtebewohner letzten

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