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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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Himmel.
    «Außerdem werden wir ein Picknick veranstalten», verkündete sie und packte eine Schachtel Cracker, eine Büchse Sardinen, eine Dose Schweinefleisch mit Bohnen, ein Glas eingelegte Gürkchen, drei Scheiben Cheddar und ein Stück Brie, einen Dosenöffner, ein Messer und einen Löffel in eine Papiertüte. Boomer legte noch vier eisgekühlte Bierdosen obendrauf.
    Hand in Hand, sie klein, er riesig, sie hüpfend, er humpelnd, schlenderten sie am Fluss entlang. Am Ufer war es schattig und um einige Grade kühler, als es vom Wohnmobil aus geschienen hatte, daher bogen sie vom Fluss ab und kletterten einen sonnigen Hügel hinauf. Nach einer Weile ließ Boomer ihre Hand los und ging ein paar Schritte voraus, was bedeutete, dass Ellen Cherry, die Schnellere von beiden, gezwungen war, ihr Tempo zu verringern. Er wollte sie vor giftigen Reptilien beschützen, die möglicherweise vom Frühlingsläuten aus dem Winterschlaf gerissen worden waren. Er hob dazu einen dicken Knüppel auf, mit dem er im Vorbeigehen auf Sträucher und Grasbüschel einschlug. Während sie nach einem idealen Plätzchen suchten, um ihr Laken auszubreiten, warf er von Zeit zu Zeit einen Blick über die Schulter und betrachtete sie, wie so oft, bevor sie miteinander schliefen: als sei sie ein verlorener Kontinent, der kurz vor der Wiederentdeckung stand.
    Es war süß von ihm, sie so zu beschützen, fand sie, süß und typisch für den Mann aus dem Süden. Ihrer Erfahrung nach spielten alle Männer aus dem Süden auf diese Art ihren Charme aus. Verlässlich wie Protectas, höflich wie eine Einladung zum Tee, respektvoll wie ein Arbeitsuchender während einer Rezession. Doch gleich unter der Oberfläche dieser einladenden Lagune wetzten zornige grüne Hummer ihre brutalen Scheren. Diese Männer waren besitzergreifend und liebten den Faustkampf; selbst die gebildetsten und vornehmsten unter ihnen – Rechtsanwälte, Psychologen, Finanzberater – wurden regelmäßig handgreiflich, gewöhnlich auf rauschenden Festen, wo der Bourbon in Strömen floss, und nicht selten war der Anlass ein harmloser Flirt. Männer aus dem Süden steckten noch im Sumpf maskuliner Ethik, sie hingen einem klassischen Bild von Männlichkeit an, dem der Rest der Bevölkerung größtenteils entwachsen war. Sicher, ihr Ehrenkodex rief den ritterlichen Charme auf den Plan, doch er förderte auch ein für Primaten charakteristisches Konkurrenzdenken, das jegliche friedliche Koexistenz verhinderte, es sei denn im Vollrausch. Ihre Stärke war nur Fassade, denn sie speiste sich aus Regeln und Protokollvorschriften statt aus Selbsterkenntnis oder innerer Stärke. Sie waren Papiertiger, diese weißen Dixie-Boys, obwohl sie Ellen Cherry noch lieber waren als Latinos: Diese Burschen (Mexikaner, Puerto Ricaner, manchmal sogar Italiener) besaßen nämlich nicht einen Funken Selbstironie und regten sich noch über Beleidigungen auf, die so läppisch waren, dass Frauen ein Mikroskop brauchten, um sie überhaupt zu erkennen.
    Sie war schon fast so weit, griechische Männer mit den Latinos in einen Topf zu werfen, als ihr angelsächsischer Ehemann, der, so schloss sie, somit vielen Mittelmeerbewohnern, den meisten Südamerikanern und allen Kunstkritikern vorzuziehen war, ihren Gedankenfluss mit einem Wink seines Knüppels unterbrach. «Sieh mal», rief er und deutete auf eine Öffnung im Berg direkt unter einem Felsüberhang. «Eine Höhle.»
    Tatsächlich, eine Höhle. So wie Ellen Cherry automatisch Landschaften betrachtete, indem sie die Augen abwechselnd zusammenkniff und aufriss, fokussierte und dann wieder alles verschwimmen ließ, mit Hilfe ihres Augenspiels Gottes Gartenmöbel von einer Netzhautveranda zur anderen schleppte, hätte sie sie wahrscheinlich übersehen. Andererseits wäre vielleicht selbst ein herkömmlicher Wanderer daran vorbeigegangen, denn die Höhle war klein und ihre Öffnung teilweise unter Wacholder und herabgestürztem Schiefergestein verborgen.
    Während sie sich den Hang zum Eingang emporkämpften, gingen beiden die gleichen Gedanken durch den Kopf. Die Nachmittagsbrise war aufgefrischt, und Frühling hin, Frühling her, es war so kühl, dass sie allein bei der Vorstellung, sich auszuziehen, eine Gänsehaut kriegten. Vielleicht würde die Höhle ihnen eine warme, behagliche Zuflucht bieten, einen sicheren Hafen, indem sie das Kanu ihrer Lust vertäuen konnten. Sie wären immer noch draußen in der Natur, aber so gemütlich aufgehoben wie im Bauch des

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