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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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die Nägel tiefer ins Fleisch und bäumte sich unter ihm auf. Ein Stöhnen flatterte aus ihrer Kehle wie eine übergewichtige Taube.
    «Jezabel!», schrie er. «Du billiges kleines Flittchen, verdammtes Luder, Jezabel!»
    Dann verlor er das Bewusstsein. Und ihr Orgasmus hatte jene dramatische Steigerung erfahren, die dem Publikum in antiken Tragödien Katastrophen, Unsterblichkeit oder gar beides verheißt.
    Aber natürlich gab es in diesem unheimlichen, düsteren Abgrund in der im Schwinden begriffenen amerikanischen Wildnis kein Publikum.
    Oder doch?
     
    Sie lagen schweigend da, einander kaum berührend, die postkoitale Verträumtheit von vager Verlegenheit überlagert. Jeder wartete, dass der andere etwas sagte, jeder hoffte insgeheim, dass, wenn der andere sprach, seine Worte fröhlich und zärtlich wären, ohne eine Spur dieser Scham, die ihn selbst am Sprechen hinderte – und ohne den geringsten Bezug auf eine gewisse übel beleumundete Königin aus dem neunten Jahrhundert vor Christus. So hätten sie bis zum Sonnenuntergang nebeneinanderliegen können, wäre nicht drei oder vier Minuten nachdem ihre Lustschreie verebbt waren – obgleich es ihnen viel länger vorkam –, im hinteren Teil der Höhle ein schwaches Geräusch zu hören gewesen.
    Ellen Cherry erstarrte. Boomer fuhr auf und suchte hektisch nach seinem Knüppel.
    Da war es wieder, ein trockenes Rascheln, gefolgt von einem Geräusch wie dem von Boomers Arbeitsstiefeln, wenn er müde war und seinen lahmen Fuß mehr als gewöhnlich nachzog. Ellen Cherrys Augen weiteten sich, und diesmal nicht um irgendwelcher künstlerischer Faxen willen. Ihr fürsorglicher Ehemann aus dem Süden wandte sich in die Richtung, aus der die Geräusche kamen.
    Die Höhle war höchstens sechs Meter tief. Sicher, es gab nicht viel Licht, aber die Rückwand war ohne Schwierigkeiten zu erkennen. Hier konnte sich nichts, weder Mensch noch Tier, verstecken. Es sei denn … erst jetzt fiel Boomer eine kleine Nische auf, ein vaginaler Schlitz in der oberen linken Ecke. Er begann etwa drei Meter über dem Erdboden, fast unter der Decke, zu hoch jedenfalls, um hineinzuspähen. Er schien eigentlich nicht groß genug, um einem Tier Platz zu bieten, obwohl … ein bis zwei Schlangen könnten sich dort durchaus eingenistet haben.
    Die Geräusche wollten jedoch nicht recht zu Schlangen passen, und auch nicht zum Geist von Injun Joe. Stell dir, wenn du kannst, ein naives junges Mädchen vor. Sie ist der Einladung eines älteren Herrn gefolgt, der ihr seine Kupferstichsammlung zeigen will. Stell dir vor, wie der in Leder gebundene Wälzer aus dem Regal gezogen wird, horch auf das Umblättern der kostbaren schweren Seiten. Stell dir vor, wie das junge Mädchen in ihrer Nervosität das Glas Mezcal umstößt, mit dem der ältere Herr sie rumkriegen wollte, und dabei den Mezcalwurm befreit, der zum Leben erwacht und versucht, auf einem Teller voller Nacho-Chips eine Revolution anzuzetteln. Ungefähr diese Art von Geräuschen hörten sie.
    Zum Leben erwacht …
Und gleichzeitig spürten unsere beiden etwas. Es war ein Gefühl, das sie im gleichen Augenblick überkam, als sie die Geräusche hörten, und das, wie sie später übereinstimmend fanden, genau dem Gefühl entsprach, das man hat, wenn
etwas zum Leben erwacht
, wobei ihnen völlig schleierhaft war, was das sein konnte. Es war unheimlich, weit unheimlicher als die Vorstellung eines großen, giftzahnbewehrten Reptils, das sich auf seinem schuppigen Bauch aus der Nische ringelte. Sie schlüpften hastig in die Kleider, rafften ihre Picknicksachen zusammen und stürzten Hals über Kopf aus der Höhle.
    Auf dem ganzen Weg zum Highway spähten sie immer wieder zurück, um sich davon zu überzeugen, dass sie nicht verfolgt wurden, und erst als sie sicher im Inneren des Truthahns hockten, konnten sie wieder lachen.
    «Du hast nur eine Socke an», stellte Ellen Cherry fest.
    «Ich war ja schon froh, dass ich wenigstens die eine erwischt hab», sagte Boomer. «Hast du’s vielleicht geschafft, dein Höschen anzuziehen?»
    «Klar. Wofür hältst du mich, eine Art Jezabel etwa?»
    Einen spannungsgeladenen Augenblick lang starrten sie einander an, dann kicherten sie los und umarmten sich fest.
    «Wahrscheinlich hab ich die Socke als Opfer für das Höhlenmonster dagelassen», sagte Boomer.
    «Wenn ich mich recht erinnere, Liebling, hattest du sie schon drei Tage an.»
    «Jessas! Du hast recht. Wie unangenehm. Besser, wir machen uns aus dem

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