Salomes siebter Schleier (German Edition)
an müssen wir es irgendwie anders nennen.»
«Wann haben wir’s denn je so genannt? Was für ’n blöder Ausdruck: rumhuren.»
«Nun ja, jedenfalls haben wir jetzt ausgehurt, Liebling.» Sie legte ihre kleine Hand auf seine Pranke. «Also, was machen wir in Zukunft?»
«Dasselbe, wir drücken es nur ein bisschen netter aus.» Er versuchte sich zu erinnern, ob in Spionageromanen je die Rede von «rumhuren» war. Bei Bond jedenfalls nicht.
«Also was würdest du sagen? Welche nette kleine Sache treiben wir demnächst?»
«Darüber hab ich noch nicht nachgedacht.»
«Na, dann fang mal an.» Sie kraulte das Haar auf seinem Handrücken. «Wie würdest du’s denn am liebsten nennen?»
«Ich würd’s überhaupt nicht irgendwie nennen. Ich will’s einfach nur machen.»
«Na, dann los.»
Das Herumalbern mit ihm hatte sie auf Touren gebracht. Sie küsste ihn auf den rechten Mundwinkel, und er fuhr von der Straße ab und versteckte ihr Vehikel hinter dem letzten Hochplateau in der Wildnis.
I & I
«Wird das Neue Jerusalem etwa aussehn wie Richmond, die reizende Hauptstadt unseres reizenden Landes? Nein. Wird es aussehn wie Washington, D.C., die großartige Hauptstadt unserer großen Nation? Nein! Wird es aussehn wie London oder Paris oder gar – gar was? Welche Stadt käm denn in Sachen Schönheit noch in Frage? Äh … Venedig. Wird es aussehn wie Venedig? Nein. Sind das zu viele Neins? O nein! All diese großen Städte werden verblassen neben dem Neuen Jerusalem; Rom auf der Höhe seines Ruhmes wird, nein,
wäre
nichts als ein Slum im Vergleich mit … Tallahassee. Tallahassee, du Trottel!»
Trotz der Ermutigung durch Reverend Buddy Winkler nannte der Kandidat als Hauptstadt von Florida Miami Beach – «Miami
Beach
? Der Trottel muss obendrein Jude sein» – und verlor damit ein Service vom feinsten Wedgwood und eine Jahresration Margarine.
«Also schaun wir mal weiter. Wo war ich stehengeblieben? Jede, aber auch jede von Menschenhand erbaute Stadt der Welt, einschließlich der legendären Palastanlagen orientalischer Potentaten, das is gut, legendäre Palastanlagen orientalischer Potentaten, wird zu einem Ghetto verblassen … Hmmm,
verblassen
und Ghetto passt wohl nich ganz so gut zusammen, wie? Hehe! Wird verblassen gegenüber dem verwandelten Jerusalem, das Gott der Allmächtige als Hauptstadt seines Königreichs auf Erden vom Himmel schicken wird, die Stadt, in der ich und ihr … ihr und ich … immerdar … Rumba. Na los, komm schon, du Dummkopf. Rumba! So? Okay, Samba. Wo zum Henker is schon der Unterschied? Tanzt doch sowieso kein Mensch mehr. Also. Immerdar wohnen werden. Wohnen oder vereint sein werden? Hmmmm …»
Reverend Buddy Winkler hatte einige Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. An der Quizsendung lag es nicht. Er sah sich häufig Quizsendungen an, wenn er an einer Predigt arbeitete. In der Regel inspirierten sie ihn eher, als dass sie ihn ablenkten. Diese herzzerreißende Gier. Jeder Kandidat stand am Tor zum Reichtum und hoffte, des Einlasses für würdig befunden zu werden. Nein, es war nicht das «Glücksrad», das seinen Stift verlangsamte, es war die gute Nachricht vom Sparrow Network. Erst an diesem Morgen hatte er erfahren, dass zwei Stationen in Kalifornien und eine in Oregon beschlossen hatten, seine wöchentlichen Predigten ebenfalls zu übertragen. Kalifornien! Jetzt würde der Feldzug gegen Huren, Pharisäer und Sünder erst richtig anfangen. Bei der derzeitigen Verbreitungsgeschwindigkeit seiner Radiosendungen würde auch ein Fernsehvertrag nicht mehr lange auf sich warten lassen. Er durfte die Regulierung seiner Zähne nicht noch weiter auf die lange Bank schieben, das konnte er sich einfach nicht leisten. Auf der Mattscheibe war Lächeln das einzige Kapital, es war Gold wert. «Stimmt’s, Bob?» Er grinste dem Quizmaster zu. Und dann, während ihm die Spucke im Mund zusammenlief und sich in giftigen Kakerlakenkiller verwandelte, fuhr er verzweifelt mit der Hand über seine bonbongroßen Eiterbeulen. «Heilt!», hätte er um ein Haar gerufen, aber diese Art von Prediger war er nicht.
Buddys Gedanken wanderten zu dem Hausbesuch, der ihm am nächsten Tag bevorstand. Ein Mitglied seiner Gemeinde hatte sich im Alter von zweiundachtzig Jahren einer Operation unterziehen müssen, um das Sehvermögen wiederzugewinnen. Eine Frau, die mit vier Jahren erblindet war. Die Operation war ein ausgesprochener Erfolg, doch als die Patientin zum ersten Mal in den Spiegel
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