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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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unserer Linie. Er legt Lippenbekenntnisse ab, was diese, äh, Glaubensangelegenheiten angeht, aber die Wahrheit ist, Reverend Winkler, unser Präsident glaubt nicht für fünf Cent an die Prophezeiungen. Nun ja, das stimmt vielleicht nicht ganz, er glaubt ein kleines bisschen daran, auf eine, äh, abstrakte, distanzierte Weise, auf dem Papier sozusagen; aber er glaubt nicht eine Minute an die Erfüllung von Hesekiels Prophezeiungen in unserer Zeit. Ja, wahrscheinlich
will
er sie gar nicht. Ich glaube nicht, dass er sich für die ewige Seligkeit interessiert. Sie müssten sehen, wie er jedes Mal die Augen verdreht, wenn ich darauf zu sprechen komme. Manchmal habe ich das Gefühl, er macht sich über mich lustig. Über
uns

    «Was Sie nicht sagen!», gluckste Buddy, und durch seinen Kopf wirbelten Sprüche aus der Heiligen Schrift und geschichtliche Tatsachen, die er dem Präsidenten zitieren könnte, um zu beweisen, dass Hesekiels Visionen aufgingen wie eine Drachensaat, dass Feuer und Schwefel vom Himmel fallen würden und dass Abrüstungsverhandlungen, die den Flammenregen aufhielten, nur dem Antichrist in die Hände spielten.
    Während die Limousine an den Neo-Tudor-Gebäuden der Tally Ho Estates vorbeiglitt, erklärte der Vizepräsident, worum es ging. Würden Buddy und seine Third Temple Platoon den Felsendom in naher Zukunft angreifen, deutete alles darauf hin, dass der Präsident sich mit dem neuerdings so friedfertig agierenden Russland, dem Reich des Bösen schlechthin, verbünden und versuchen würde, das atomare Fegefeuer zu verhindern, das Hesekiel in so eindringlichen Bildern beschworen hatte und dem die Zerstörung der heidnischen Moschee eigentlich
vorangehen
musste, wenn alles nach Plan lief.
    Der Vize warnte Bud, den Felsendom zu schleifen, während der jetzige Präsident im Amt sei, berge das Risiko, das Ganze zu vermasseln. Er bat Bud – befahl Bud –, noch ein Weilchen Geduld zu haben und zu warten, bis ein aufgeklärterer Präsident ins Weiße Haus eingezogen sei. Dabei ließ er durchblicken, dass dies nicht notwendigerweise so lange dauern würde, wie Buddy vielleicht glaubte.
    Die Lichter des Flughafens, in der frostigen Nacht von einem Heiligenschein umgeben wie nordische Madonnen, tauchten in der Ferne auf, als er Buddy noch einmal eindringlich vor der selbstherrlichen Narrheit von Einzelaktionen warnte. «Ich bewundere Ihren Mut, aber schauen Sie, Pat und Jerry haben, äh, haben ebenfalls ein Interesse an dieser Sache, und offen gesagt, sie stehen in der Befehlshierarchie eine Stufe höher als Sie. Es ist wichtig, dass wir alle am selben Strang ziehen. Haben wir uns verstanden?»
    «Sie können sich drauf verlassen, Sir. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch –»
    Doch bevor er auch nur die Spucke aus seinem Saxophon blasen konnte, unterbrach ihn der Vizepräsident. «Sagen Sie, Reverend, wer ist eigentlich Ihre Lieblingsmannschaft bei der Super Bowl?»
    «Indianapolis», platzte Buddy hoffnungsvoll heraus – und bereute es schon im nächsten Augenblick. Irgendetwas in der Stimme des Vize, als er sagte: «Das ist ja echt gut, mein Lieber», verriet Buddy, dass die Colts es dieses Jahr wohl nicht geschafft hatten.
    Als die Limousine auf der Startbahn wieder zum Stehen kam, schüttelte ihm sein Gastgeber kräftig die Hand. «Gott schütze Sie», sagte er, und die Tür öffnete sich wie auf ein Stichwort. Fünfzig Meter entfernt wärmte der Lear-Jet bereits die Motoren auf.
    «Irgendwelche Fragen?», sagte einer der Agenten, als Bud sich anschnallte.
    «Nein. Oder doch, ja, da is ’ne winzige Sache, die mir nich aus’m Kopf geht. Ihr Jungs habt doch offensichtlich in mei’m Apartment rumgeschnüffelt. Na schön, Schwamm drüber. Ihr musstet, ihr hattet eure Befehle. Ich denk, ihr wart bestimmt mehr als einmal in meiner Wohnung, und da fällt mir folgende Frage ein: Habt ihr jemals – aus guten Gründen, versteht sich – ’nen Löffel, so ’n kleines silbernes Löffelchen und ’nen bemalten Stock mitgehen lassen? Der Stock hatte so komische kleine Hörner am Ende.»
    Daraus, wie die Agenten erst ihn ansahen und einander dann vielsagende Blicke zuwarfen, musste Buddy schließen, dass er damit auch den letzten Rest an Glaubwürdigkeit, den er bei den höheren Chargen der Macht einmal besessen haben mochte, verspielt hatte.
    I & I

Was war das für ein Geräusch? Jenes leise Geraschel? Man hörte es im eisigen Norden, wo kein einziges Blatt mehr an den Bäumen hing, und man hörte

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