Salomes siebter Schleier (German Edition)
komme ich mir vor.› Vermutlich ist es nur eine Frage der Einstellung.»
«Dieser Boomer!»
«Ach ja», seufzte Ellen Cherry. «Dieser Boomer.»
Schließlich fing sie an, ihre Mami zum I & I mitzunehmen. Patsy half in der Küche aus und betätigte sich als Hilfskellnerin an der Bar. So hatte sie etwas zu tun und konnte nicht nur das Wandgemälde ihrer Tochter studieren, sondern bekam auch das schreckliche Tauziehen im Restaurant aus nächster Nähe mit. Die magnetische Anziehungskraft des Football kannte sie, immerhin hatte sie ihren eigenen Mann daran verloren. Doch erst als sie Salome zum ersten Mal auftreten sah, begriff sie, welche Ausstrahlung die Kleine auf ihr Publikum hatte.
«Lieber Himmel», sagte Patsy. «Sie is noch grün hinter den Ohren, aber den Mann, der ihr widerstehen kann, möcht ich sehn.»
Ein paar Tage später kam es zu einem Streit an der Bar. Es fing damit an, dass eine Frau, die die Super Bowl hasste, ihrem Mann mit langen rot lackierten Fingernägeln das Gesicht zerkratzte und sich dann wie eine Furie auf die anderen Tische stürzte, bevor Detective Shaftoe dem Ganzen ein Ende machte, indem er seine stumpfnasige 38 er zog und in die Luft feuerte. Das Geschoss prallte an einer Rohrleitung unter der Decke ab und blieb im Wandgemälde stecken. Aus dem Einschussloch drang ein Laut, der an fernes Wolfsgeheul erinnerte.
I & I
«Damit ist die Sache gelaufen», sagte Abu, als Spike und er vom Tennisclub zurückkamen. Shaftoe und der Wachmann stritten noch darüber, ob der Detective das Recht hatte, eine Schusswaffe mit ins Restaurant zu bringen. «Ein für alle Mal! Die Wahl wird abgesagt.»
«Ojojoj!», sagte Spike. «Hören wir uns an wie Bananenrepublik.»
«Aber du hast doch einen Plan», erinnerte ihn Abu.
«Richtig. Lassen wir sausen die Wahl und konzentrieren auf Plan B.»
Plan B war Spike Cohens Idee. So sehr beunruhigte ihn die Zwietracht, die aus dem Konflikt zwischen Spiel und Tanz erwachsen war, dass er sich angeboten hatte, mehrere große, sündhaft teure Heizgeräte und eine Segeltuchmarkise zu kaufen, sodass man den Riesenfernseher für einen Nachmittag im Hof hinter dem I & I aufstellen konnte. Es würde nicht halb so bequem sein wie drinnen, aber man würde an Plastiktischchen Essen und Getränke servieren, und Gäste, die sich partout nicht zwischen den beiden Attraktionen entscheiden konnten, hatten die Möglichkeit, zwischen dem Tanz der sieben Schleier und der Super Bowl hin und her zu pendeln, wann immer sie Lust verspürten.
Da der schicksalhafte Sonntag jetzt nur noch acht Tage entfernt war, schienen fast alle erleichtert über den Kompromiss. «Sieht nicht schlecht aus», grunzte Shaftoe.
«Auf dem Papier.»
Am Montag, dem siebzehnten Januar, aß Patsy mit Buddy Winkler zu Mittag. Sie bat Ellen Cherry mitzukommen, doch die blieb standhaft, und so machte sich Patsy allein auf den Weg. Nach neun oder zehn zaghaften Versuchen gelang es ihr endlich, ein Taxi anzuhalten. Zu Patsys Überraschung war die Adresse, die Buddy ihr genannt hatte, ein nahöstliches Spezialitätenrestaurant. «Wieso gerade hier?», fragte sie, nachdem sie den guten Reverend mit einer innigen Umarmung einigermaßen verwirrt hatte.
«Weil ich morgen früh nach Jerusalem verschwinde und meine Geschmacksknospen schon mal an den Fraß gewöhnen muss. Hab da drüben ’ne Menge zu erledigen und kann nich riskieren, mir von dem perversen, unappetitlichen Zeug alles vermasseln zu lassen. Deine nächste Frage is wahrscheinlich, warum ich meinen Gaumen nich in diesem stinkenden Gomorrha anpassen kann, wo Verlins einzige Tochter ihrem toten Vater das Herz bricht.»
«Hör mal, Bud», sagte Patsy. «Ich wollt dich grad fragen, wer dich angezogen hat. Ich mein, das is ja ein wirklich feiner Anzug, den du da anhast, aber der Schlips sieht aus, als hätt ’ne Katze draufgeschissen, und dein Hemd – hat es nich ’ne Spur zu viel Stärke abgekriegt? Ich wollt dich fragen, ob du nich eine Frau brauchst, die dir gelegentlich zur Hand geht. Was deine Klamotten angeht, mein ich. Aber jetzt, wo du mir erzählt hast, dass du auf’m Weg nach Is-ra-el bist, sollt ich vielleicht lieber fragen: ‹Warum?› Was hast du an diesem gottverlassnen Ort verloren? Ich
weiß
, warum du nich ins Isaac & Ishmael’s willst, obwohl selbst Verlin Charles da mal gegessen hat. Und das bringt mich auf ’ne andre Frage,
zwei
andre Fragen. Kann man einem, der mausetot ist, wirklich noch das Herz brechen? Und glaubst
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