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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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einem Löffel, einer stinkenden alten Socke und einer Dose Bohnen? –, könnte auch Salome in den Tempel zurückkehren und tanzen. Und wenn niemand Salome am Tanzen hindert, könnte dieser erste Schleier schon sehr bald fallen.

Der zweite Schleier
    «Wie kommt es eigentlich», fragte Boomer, «dass Bier einem tagsüber schneller zu Kopf steigt als abends?»
    Der Mann, an den die Frage gerichtet war, zupfte an seinen kratzigen Bartstoppeln, nickte und gab keine Antwort.
    «Tatsache», fuhr Boomer fort. «Nach Sonnenuntergang vertrag ich dreimal so viel wie am Nachmittag. Ist Ihnen das auch schon aufgefallen?»
    Ellen Cherry stand in einem Waschsalon und wusch ihre Wäsche. Von nun an, darauf hatte sie bestanden, würde Boomer in der saubersten und hygienischsten Fußbekleidung durch die Welt marschieren, die mit Waschmittel und heißem Wasser zu haben war. Sollte sie diesen Schwur je brechen, brauchte er sie nur an die schmutzige Socke zu erinnern, die er tags zuvor in der Höhle zurückgelassen hatte. Ihr Gestank, so vermuteten sie halb im Scherz, beleidigte jetzt irgendeinen Höhlengeist, dessen Gastfreundschaft sie so schmählich verletzt hatten, und das, nachdem er über ihren wunderbaren Fick gewacht hatte. Während sie mit zusammengekniffenen Augen zusah, wie sich hinter dem Bullauge in der Tür der Waschmaschine Strümpfe und Unterwäsche drehten und überschlugen, in den Schaum fielen und wieder an die Oberfläche trieben, hatte sich Boomer in eine Kneipe auf der anderen Straßenseite geflüchtet.
    «Es ist ein bekanntes Phänomen», sagte Boomer. «Aber ich hab noch nie gehört, dass irgendwer es in ’nem Gesundheitsmagazin oder sonst wo erklärt hätte. Wie ist das bei Ihnen?»
    Es saßen nur drei Leute an der Bar: Boomer, der Mann links von ihm und der Mann links von dem Mann. Boomers Nachbar war groß und bräsig und sah ziemlich heruntergekommen aus. Sein kariertes Flanellhemd machte den Eindruck, als sei es des Öfteren unter die Räder einer Dreschmaschine geraten. Mit seinem Bart stand es nicht viel besser. Er nickte Boomer zu, sagte jedoch nichts. Sein Kumpel, halb verdeckt von der massigen Gestalt des ersten Mannes, starrte vor sich hin. Die Kellnerin, eine ältere Frau, saß am anderen Ende und beschäftigte sich so eifrig damit, die Gläser zu polieren, gegen das Licht zu halten und aufs Neue zu polieren, dass man hätte meinen können, sie erwartete jeden Augenblick die Queen mit ihrem Hofstaat. Von einem unbeachteten Fernseher, der einsam unter der Decke hing, flimmerten krause Bilder: Eine weibliche Gestalt, die geradewegs einer Seifenoper entsprungen schien, weinte um ihren Freund. Er war in den Nahen Osten abkommandiert worden, um mitzuhelfen, den Frieden zu bewahren. Das Mädchen in der Sendung fragte sich, warum Juden und Araber nicht lernen konnten, einträchtig nebeneinander zu leben.
    Boomer hatte sich, wie die meisten Amerikaner, selbst schon ein- bis zweimal den Kopf darüber zerbrochen. Heute hatte er andere Probleme. «Es muss was mit dem Licht zu tun haben. Irgendwie bricht der Alkohol das Sonnenlicht und verursacht eine Reaktion im Gehirn. Peng! Mitten zwischen den Augen.»
    Der Bräsige neben ihm sagte immer noch nichts. Boomer beugte sich zu ihm hinüber.
    «Natürlich kann es sein, dass die Wirkung hier oben in den Rockys anders ist, keine Ahnung. Bei der Höhe! Ich weiß zufällig, dass Pfauen über fünftausend Meter nicht mehr schreien können. Die Höhe macht sie stumm wie eine Nuss. Ich nehm doch an, dass Nüsse stumm sind. Jedenfalls heißt es im Allgemeinen, dass sie taub sind. Lauter kleine Helen Kellers.» Ein verständnisvolles Lächeln zuckte über Boomers Gesicht. «He, sagen Sie, ist
das
vielleicht Ihr Problem?» Er hielt seinen Mund direkt an das Ohr des Kerls und brüllte: «Annie Sullivan am Apparat!» Zweifellos würde der Mann den Namen der Therapeutin kennen, die Ms. Keller das Sprechen beigebracht hatte.
    Mit einem gezielten, unausweichlichen Hieb seiner Pranke fegte der Mann Boomer vom Barhocker. Als er sich hastig aufrappelte und das verschüttete Bier von den Palmwedeln auf seinem Hawaiihemd wischte, rief Boomer: «Wenn Gott nicht lieber gewollt hätte, dass wir abends trinken, hätt er das Neon nicht erschaffen! Stimmt’s oder hab ich recht? Und das ist
keine
rhetorische Frage!»
    Dann flogen die Fäuste, und der Kampf begann erst richtig. Sie gingen in den Clinch und landeten schließlich auf dem Boden, Boomer zuunterst. Er hatte dem Mann – der

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