Salomes siebter Schleier (German Edition)
noch immer schlaffen stolze Penisse ab und liegen nutzlos da, wenn die Frau in ihrer überlegenen Sexualität mit ihnen fertig ist, aber trotzdem kontrollieren heute Männer die göttlichen Sendschaften. Zwar mag diese Kontrolle zum größten Teil eine Illusion sein, doch existieren die Gesetze, Institutionen und ausgeklügelten Waffensysteme der Männer vor allem deshalb, um sie aufrechtzuerhalten.
Zu Jezabels Zeiten, ein volles Jahrtausend nach der patriarchalischen Revolte, hatte Jahwe gerade mal einen ziemlich unsicheren Fuß in ihre Tempeltür gezwängt. Noch heute dürfte jede Ejakulation, jedes Erdbeben, jeder herbstliche Vollmond das männliche Unterbewusstsein an die fortdauernde Anwesenheit der Göttin erinnern, doch im neunten Jahrhundert wurde sie in den Ländern um Israel offen und in Israel selbst heimlich verehrt. Kein Wunder also, dass die Patriarchen Zeter und Mordio schrien, als König Ahabs phönizische Braut anfing, der Göttin Astarte Tempel zu bauen, und die Israeliten diese Tempel aufzusuchen begannen – offensichtlich zog die Bevölkerung Astartes Sinnenfreude Jahwes rigider Askese vor. Interessanterweise bestand eines der Verbrechen, die man, dem Zeugnis des Historikers Josephus zufolge, Jezabel vorwarf, darin, Bäume zu pflanzen. Da die Göttin stets in heiligen Hainen verehrt wurde, ist es verständlich, dass die Patriarchen damals wie heute zum Abholzen neigen.
Übrigens wird Astartes hebräischer Name – Ashtoreth – in der Bibel nur dreimal erwähnt. In sorgfältig patriarchalisierten Inkarnationen erscheint die Göttin in der Heiligen Schrift als Eva und Jungfrau Maria (einmal als arglistige Verführerin, das andere Mal als leidenschaftsloses, passives Vehikel); Johannes bezeichnet sie als Hure von Babylon und identifiziert sie als die schamlose «Bestie», die von dem unschuldigen, asexuellen «Lamm» in einer Schlacht, die aller menschlichen Geschichte ein Ende macht, besiegt wird. Doch waren die Sprecher des Patriarchats viel zu panisch angesichts ihrer Offenheit, ihrer Unbeständigkeit, ihrer Magie und Sinnlichkeit, um auch nur ihren Namen niederschreiben zu können. Daher ersetzten sie die Göttin durch ihren Ehemann, ihren
baal
, in der Erkenntnis, dass sie das angebliche Kindsopfer nur einer männlichen Gottheit überzeugend zuschreiben konnten.
Damit hier nicht der falsche Eindruck entsteht, diejenigen, die sich in der unterirdischen Nische reckten und streckten, verfolgten eigennützige historische Ziele, sollte an dieser Stelle festgehalten werden, dass sie … nun ja, Agenten der Realität waren, nicht Gelehrte oder Konvertiten. Sie hätten sich wohl kaum damit abgegeben, selbst wenn Sie dazu imstande gewesen wären, die Namen der Göttin runterzuleiern, als handelte es sich um die Aufstellung eines Footballteams. Zwar wären sie zweifellos nicht so redselig gewesen, doch hätten sie Ellen Cherry sicher bereitwillig Auskunft über den wahren Charakter von Jezabels Missetaten gegeben: Ihr Vergehen bestand in der Verehrung Astartes. Weil diese Verehrung ansteckend war (denn sie ist ein instinktiver menschlicher Reflex), weil sie den harten Griff des Jahwe-Kults schwächte, wurde Jezabel verleumdet, verfolgt und schließlich ermordet.
Als der Augenblick kam, war sich Jezabel durchaus darüber im Klaren, was ihr bevorstand. Sie kämmte ihr mutterkornschwarzes Haar, setzte ihre Tiara auf, legte Rouge auf Wangen und Lippen, bestäubte die Lider ihrer riesigen phönizischen Augen mit Khol und trat mit dem Stil, der Würde und Anmut, die einer regierenden Herrscherin geziemen, ihrem Henker entgegen. So viel zum Thema geschminkte Flittchen.
Die von den Hunden zernagten Gebeine Jezabels könnten das Skelett sein, das im tiefsten Inneren unserer Rasse mit den Knochen klappert.
Warum war sich Ellen Cherry all dessen nicht bewusst? Warum ahnte der größte Teil der Menschheit nichts davon? Weil Schleier von Unwissenheit, Desinformation und Illusion uns von allem trennen, was für das Verständnis unserer evolutionären Reise unabdingbar ist, und uns das für alle lebenswichtige Mysterium vorenthalten.
Der erste dieser Schleier verbirgt die Unterdrückung der Göttin, verhüllt das sexuelle Gesicht des Planeten, tarnt den uralten Sockel des erotischen Schreckens, auf den sich die Religion des modernen Menschen gründet.
Aber Moment mal. Wenn Painted Stick und Conch Shell gestattet wird, die Höhle zu verlassen, wo sie geschlafen haben – und was steht ihnen im Weg außer
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