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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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sind doch da unten alle so schmutzig wie Sautitten, wenn de mich fragst, aber wir sollten mit dem Terrorismus Schluss machen und das Öl einkassieren.»
    Mike hatte eigentlich gar keine Lust, über Außenpolitik zu diskutieren, aber wie sollte er jemandem erklären, dass seine Schwester an diesem Morgen eine Schneckenmuschel am Straßenrand entlangspazieren gesehen hatte. Und eine Gabel oder einen Löffel. Und einen roten Stock und eine Socke. Eine Socke, lieber Himmel! Und etwas, das aussah wie eine Dose Bohnen.
    I & I

Es gibt Landschaften, da hat man das Gefühl, über einem wölbe sich nicht der Himmel, sondern das All. Etwas Größeres, Weiteres als der Himmel, man spürt und sieht es, obwohl der Himmel in einer solchen Umgebung stets überwältigend ist. Es gibt eine Stelle zwischen dem Großhirn und den Sternen, da hört der Himmel auf und das All beginnt, und manchmal, wenn wir uns zu einer bestimmten Stunde auf einer bestimmten Prärie oder Bergkuppe einfinden (die kleinste Wolkenschliere kann die ganze Wirkung verderben), löst sich unsere Beziehung zum Himmel in Luft auf, während die zum All immer festere Formen annimmt.
    Unweit der reliefartigen Naht auf der Landkarte, wo die Flicken von Idaho, Utah und Wyoming aneinandergesteppt sind, rastete Can o’ Beans im Zwielicht, unter einer nach allen Seiten überkragenden Kuppel, mehr All als Himmel, von der er sich hingerissen aufsaugen ließ.
    Es war das Ende ihrer ersten Tagesreise und der Anfang ihres ersten Nachtmarsches. Nach den Ereignissen des Morgens – der beschwipsten Frau, die um ein Haar ihren Lieferwagen zu Schrott gefahren hätte, als sie sie auf der Landstraße erspähte, die Jäger, die auf sie schossen (die dachten wohl, sie seien Kaninchen oder was?), nachdem sie sich von der Straße in die Büsche geschlagen hatten –, nach alldem waren Painted Stick und Conch Shell übereingekommen, Can o’ Beans’ ursprünglichem Rat zu folgen und nur noch bei Nacht zu reisen. Es war in der Tat ein wenig naiv von Painted Stick, zu glauben, er könne sein Häuflein von Objekten unbeschadet bei hellem Tageslicht durch Amerika führen. Willkommen in der modernen Welt, Painted Stick.
    Also hatten sie sich den Nachmittag über in einem kleinen Arroyo verborgen gehalten und beabsichtigten, in Kürze wieder aufzubrechen. Can o’ Beans stand am Ufer des Wasserlaufs und sah durch den dunkler werdenden Himmel hinauf ins Reich der Stille und Barmherzigkeit. Mit einem feierlichen, wenn auch ein wenig blechern fröstelnden Schauder stand er/sie mitten auf jener Kreuzung, wo das Vertraute und das Nichts aufeinandertreffen, und betrachtete die seltsame Lage, in der er/sie sich befand, von der philosophischen Warte aus.
    I & I

Conch Shell hatte die Spalte als Erste verlassen. Sie war so gesprungen, dass sie auf der harten Spitze ihres sich nach oben verjüngenden Gehäuses landete, und hatte damit vermieden, dass Teile ihrer Spiralreifen beim Aufprall splitterten oder Sprünge bekamen. Einen Augenblick verharrte sie so, aufrecht in der weichen Erdschicht des Höhlenbodens steckend. Dann ließ sie sich behutsam fallen und rollte auf die breitgeschwungene Seite. So blieb sie liegen, odaliskengleich, rekelte sich träge und bot einen ungehinderten und ja, vielleicht schamlosen Blick auf die dunklen Außenlippen, die cremefarbenen Innenlippen und das himmlische Rosa ihrer Öffnung, ihrer Spalte.
    Can o’ Beans und Dirty Sock, die etwas Geschupptes, Gekringeltes erwartet hatten, kam Conch Shells rosiges Leuchten in der Tat überirdisch vor. Can o’ Beans fand, sie sei das Schönste, was er/sie je gesehen hatte, und stieß einen Seufzer aus, der jede einzelne Bohne in seiner/ihrer Sauce zum Rotieren brachte. Dirty Sock pfiff durch die Zähne wie ein Bauarbeiter und rief: «Junge, Junge, was für Kurven!» oder so was Ähnliches.
    Spoon dagegen durchfuhr ein Anflug von Eifersucht, dass sie so grün im Gesicht wurde, als hätte sie die ganze Nacht in Mayonnaise verbracht.
    Die Schneckenmuschel ist die Stimme Buddhas, die Wiege Aphrodites, das Tritonshorn, das alle Dämonen vertreibt und verirrte Seefahrer nach Hause führt. Vom Mondlicht gefärbt und von frühester Geometrie geformt, ist sie das allererste Traumschiff, das heilige Unterseeboot, das zu seinem Rendezvous mit der Poesie die Fruchtbarkeit als Geschenk mitbringt.
    Von frühester Geometrie geformt? Nein, die Schneckenmuschel
ist
früheste Geometrie. Ihre vollkommen logarithmische Spirale windet sich von

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