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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Robbins
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desto höher stiegen sie. Obgleich sie die Tücken der Beweglichkeit nicht gewohnt waren, hielten sich Spoon, Dirty Sock und Can o’ Beans recht wacker. Doch als die Gruppe gegen Mitternacht eine Rast einlegte, waren die drei mehr als dankbar, eine Weile sitzen zu können.
    «Verdammt noch mal, Leute», sagte Dirty Sock. «Das hätten wir ja sauber hingekriegt. Aber ich kann euch sagen, jetzt bin ich auch verflucht erledigt.»
    «Verzeihen Sie, wenn ich mich einmische, Mr. Sock», sagte Can o’ Beans, «aber Sie sollten sich mit Ihrer Wortwahl wirklich etwas mehr Mühe geben.»
    Die Socke war pikiert. «Wieso, was ist damit?», fragte sie gereizt.
    «Nun», fuhr Can o’ Beans ein wenig zögernd fort, «unpräzise Wortwahl ist eine der Hauptursachen für Geisteskrankheiten bei menschlichen Wesen.»
    «Hä?»
    «Ganz recht. Eine gewisse Unfähigkeit, die Realität korrekt wahrzunehmen, ist nicht selten der Grund für das irrsinnige Verhalten der Menschen. Und jedes Mal, wenn sie nicht aufpassen und ein Slang- oder Allerweltswort benutzen, statt eines Begriffes, der eine Emotion oder Situation
korrekt
beschreiben würde, beeinträchtigt es ihren Bezug zur Realität, treibt sie weiter von der Küste weg, hinaus in die trüben Gewässer von Verwirrung und geistiger Umnachtung.»
    Aus der Art und Weise, wie die anderen ihn/sie anstarrten, entnahm Can o’ Beans, dass er fortfahren sollte. «Die Bezeichnung
sauber
zum Beispiel hat höchst präzise Konnotationen.
Sauber
heißt ordentlich, rein, gut gepflegt. Es ist eine passende Bezeichnung für ein Zimmer, eine Frisur oder ein Manuskript. Wenn es jedoch ständig und unpassend gebraucht wird, wie es im Slang der Fall ist, verschleiert es nur die wahre Natur der Sache oder des Gefühls, das es repräsentieren soll. Es wird zu einem schwammigen Begriff. Man kann Dutzende von Bedeutungen aus ihm herauswringen – und weiß nie, welches die richtige ist. Wenn jemand einen Film als ‹sauber› bezeichnet, meint er dann, er sei komisch oder tragisch oder spannend oder schmalzig? Meint er, dass die Technik gut ist, die Darstellung herzergreifend, das Skript intelligent, die Regie gelungen oder dass die Hauptdarstellerin ein umwerfendes Dekolleté zur Schau trägt? Slang besitzt eine gewisse Knappheit und Unmittelbarkeit, die attraktiv sind, richtig, aber er entwertet die Erfahrung, weil er sie standardisiert und durcheinanderwirft. Er hängt zwischen der Menschheit und der wirklichen Welt wie ein … ein Schleier. Slang macht die Menschen noch dümmer, das ist alles, und die Dummheit macht sie schließlich verrückt. Ich hasse die Vorstellung, dass diese Art von Verrücktheit eines Tages auch auf Objekte abfärben könnte.»
    Spoon, die wie die Bohnendose ein paar Filme im Fernsehen mitgekriegt hatte, fand, dass sie mit ihrer Analogie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Painted Stick und Conch Shell wussten nicht einmal, was ein Film war. Der Einzige unter ihnen, der je ein Kino von innen gesehen hatte, war Dirty Sock, aber seine Sicht war auf die unter den Sitzen klebenden Kaugummis beschränkt gewesen. Eine Zeitlang war er still. Man hätte sogar sagen können, dass er nachdenklich geworden war. Dann grummelte er, dass doch jeder von ihnen verdammt genau verstanden hätte, was er gemeint habe, als er sagte, das hätten sie «sauber» hingekriegt, und dass er es überhaupt nicht einsähe, deswegen so einen Zinnober zu veranstalten. Damit stülpte er das ausgeleierte Elastikbündchen über seine schweißverkrustete Ferse und rollte sich zu einem Nickerchen zusammen.
    Außerstande, ihre Erregung zu verbergen, wandte sich Spoon an den Stock und seine Gefährtin und platzte heraus: «War das nicht wunderbar? Can o’ Beans ist so weise wie Salomon.»
    Die Fremden sahen einander an. «Hast du das gehört?», fragte Conch Shell. «König Salomon ist also immer noch berühmt für seine Weisheit.»
    «Aber natürlich», sagte Spoon, das feine Stimmchen von aufrichtiger Bewunderung durchdrungen. «Salomon war der weiseste Mann, der je gelebt hat.»
    Conch Shell wandte sich höflich ab, aber Painted Stick lachte Spoon aus.
    Sie glaubte, so etwas wie einen Fauxpas begangen zu haben, errötete und zog sich zurück. Can o’ Beans dagegen rückte dichter an die Fremden heran. «Entschuldigen Sie bitte», sagte er/sie. «Aber Sie scheinen die Ansicht zu vertreten, dass Salomon weniger weise war, als sein beträchtlicher Ruhm vermuten lässt.»
    «Das tun wir wahrhaftig», sagte

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